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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 24.1876

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.62254#0209
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9. Kest.

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Aettore Ursanr.
Historische Novellette
von
August Lrrnhardt.
Ehrgeiz, Neid, Rivalitäten jeder Art hatten die zwei mäch-
tigsten Republiken der Halbinsel entzweit. Wie zum Sprung
bereite Tigerinnen standen sich Genua und Venedig gegenüber.
Der Vorwand, dessen sie zum offenen Streite bedurften, war
endlich gefunden — klein, doch unausgleichbar. Die Insel
Tenedos war es, auf die sowohl Genua wie Venedig Anspruch
erhob und die nach ausgefochtenem Kampfe der Preis des Sie-
gers fein sollte. Jeder der beiden Republiken war es darum
zu thun, der Welt nun den Beweis zu liefern, daß sie nicht
Schwester, nein Meisterin der andern war.
Venedig hatte sich kaum erholt von den kleinen Kriegen,
die es gegen Triest, gegen den Herzog von Carrara und zuletzt
gegen die Herzoge von Oesterreich hatte führen müssen. Die
Republik fühlte sich noch gehoben, weil Franz von Carrara fei-
nen Sohn zum Dogen hatte senden müssen, um demüthig Ver-
zeihung für des Vaters Vergehen zu erbitten. Der Dichter

Petrarca hatte ihn begleitet und eine fein gedrechselte Lobes-
hymne auf den Frieden zum Besten gegeben — da kam die
beleidigende, racheheischende Kriegserklärung der Genueser.
Die beiden Seemächte konnten ihre Händel nur auf dem
Meere ausfechten, weßhalb sogleich an die Ausrüstung der
Flotte gegangen wurde. Doch den eigenen Kräften nicht ver-
trauend, sandte Venedig nach Mailand um Hülfe.
Der eben mächtig werdende Visconti versagte sie nicht, er-
heischte jedoch einen Gegendienst von der Republik, den sie ihm
versprechen mußte, ehe er ihr mit Geldern und Mannschaft bei-
sprang. Ein Nachkomme Guy von Lusignan's, der damalige
König von Cypern, hatte um die Hand der Tochter Visconti's
anhalten lassen. Sie war ihm zugesagt worden und der Tag
der Hochzeit bestimmt, doch konnte der König von Cypern sein
Land nicht auf längere Zeit verlassen, er konnte die Braut nicht
selbst heimführen.
Schon lange suchte Visconti ein ehrenvolles Geleit für die
Tochter, denn sie selbst hatte sich geweigert, mit einem gewöhn-
lichen Handelsschiffe nach ihrer neuen Heimat zu segeln. Jetzt
glaubte er das Richtige gefunden zu haben — eine ganze
Flotte, zur Schlacht gerüstet, das war gewiß eine Eskorte nach
dem Herzen des stolzen Kindes. Deßhalb kehrten die Abge-
sandten der Republik mit froher Kunde zurück, — die gestellte

Bedingung war ja ein ehrenvoller Auftrag. Die Hülfe Vis-
conti's war doppelt willkommen, denn soeben hatte man er-
fahren, daß die Genueser mit dem Könige von Ungarn ein
Bündniß geschloffen, das den Venetianern verderbendrohend
erschien, weil es den feindlichen Schiffen Schutz an der dalma-
tischen Küste verhieß. Ein Edelmann ward sogleich als Bote
nach Mailand entsandt, mit der Nachricht, daß die Republik
es für eine Ehre halten werde, wenn sie die Tochter der Vis-
conti an ihren Bestimmungsort geleiten dürfe. Außerdem
mußte der Bote dem Visconti noch mittheilen, daß Vettore Pi-
sani, ein Patrizier von bewährtem Muthe und fester Ent-
schlossenheit, zum Befehlshaber der Flotte ernannt worden war.
Visconti begab sich in's Gemach feiner Tochter, um ihr die
frohe Kunde zu bringen. Wie immer flog die schöne Jungfrau
beim Anblick des Vaters in seine Arme. Er ließ sich ihre Lieb-
kosungen gerne gefallen, kam aber bald zur Sache, indem er
ihr mittheilte, daß die Republik Venedig, ehe sie gegen Genua
zöge, bereit sei, mit ihrer ganzen Flotte der Tochter der Vis-
conti das Ehrengeleit nach Cypern zu geben. Aufmerksam
lauschte Valentina den Worten des Vaters, doch als er geendet,
erhob sie sich von ihrem Sitze und stellte sich stolz vor ihn hin,
um gelassen, aber ernst zu sagen:
„Ist es nicht genug, wenn eine Tochter der Visconti sich

Weltausstellung in Philadelphia. Die Acker-anhalle. (S. 235.)


Jllustr. Welt. XXIV. s.

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