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Emil Franz Lorenz
seine Ergebenheit von Zeus gelohnt. Zeus will die Menschen, deren
Schöpfer und Repräsentant Prometheus ihm gegenüber ist, von der
Erde vertilgen und ein neues Geschlecht pflanzen. Hier verbindet
Äsdiylus, nicht ohne eine Parallele im ägyptischen Mythus <vgl. oben,
p. 46) das aus dem Schuldbewußtsein des Empörers gegen die
Autorität hervorgewachsene Motiv der Sintflut mit der Titanensage,
um die sich darauf einstellende Sinneswandlung des Prometheus zu
begründen. Zeus will die Menschen von der Erde vertilgen und ein
neues Geschlecht pflanzen. Der Grund für diese Absicht des Zeus,
den Äschylus nicht angibt, wird kein anderer sein, als daß dieses
Geschlecht im Grunde seiner Natur stets titanisch geblieben ist
und in der neuen Weltordnung nicht weiter bestehen darf. Doch
Prometheus durchkreuzt des Zeus Pläne und bewahrt die Menschen
vor dem Untergang. Wider den Willen der Götter leben sie weiter,
Darob erzürnt Zeus und bestraft den Prometheus für seine Menschen-
liebe. — Die durch Zeus repräsentierte Gemeinschaft, der sich auch
Prometheus in einer Periode seines Lebens angeschlossen hatte, ist
in ihren Ansprüchen an den Einzelnen unersättlich und verlangt seine
unbedingte Unterwerfung unter die <auf das Mittelmaß zugeschnittene)
Autorität.
Doch Prometheus weiß, daß er sich nicht völlig hingegeben hat/
er ist im Besitze des Geheimnisses, auf dem Zeus' Macht
beruht, und vermag darum den Schergen des Olympiers zu trotzen,
die ihn in den Einöden Skythiens an einen Felsen schmieden. Zeus
ist es bestimmt, von einem noch ungeborenen Sohn der Herr-
schaft entsetzt zu werden1.
Damit kehrt das alte titanische Motiv der Verdrängung
des Vaters durch den Sohn wieder, aber in einer Ausweitung,
die seinen Sinn um ein Bedeutendes vertieft. Der Bestand der WelG
Ordnung beruht immer noch darauf, daß jeder Rückfall in den vor
der Konversion der unbewußten infantilen Einstellung bestandenen
Zustand vermieden wird. Es ist überaus lehrreich, in diesem von
schwerwiegender Reflexion geschwängerten Gedankengewebe, wie es
das Äschyleische Drama ist, die Wiederkehr all der uns wohL
bekannten Züge vermerken zu können, durch die sich die älteste
Art von Auflehnung gegen autoritative Mächte kennzeichnet.
LInsere Überzeugung von der infantilen Bestimmtheit der
1 Nach Weckiein in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Prometheus,
p. 16, die Herbeiziehung eines Mythus, der ursprünglich mit der Prometheussage
in keinem Zusammenhang stand. Äschylus benützte die bei Pindar Isthm. VII 60
noch in ihrer älteren Gestalt vorliegende Sage, Themis habe, als Zeus und Po^
seidon um Thetis freiten, den Ratschluß des Schicksafs verkündet, daß die Meeres-
göttin einen Sohn gebären solle, der mächtiger als sein Vater sein, und, wenn
Zeus oder Poseidon sich mit ihr verbinden, »eine Waffe schwingen werde, ge^
waltiger als Wetterstrahl und Dreizack«. Äschylus ließ die Beziehung der Sage
auf Poseidon fallen, legte die Kunde von jener Schicksalsbestimmung, welche der
Schicksalsgöttin Themis zukommt, dem Prometheus bei und macht zu dem Zwecke
den Sohn der Klymene zum Sohne der Themis.
Emil Franz Lorenz
seine Ergebenheit von Zeus gelohnt. Zeus will die Menschen, deren
Schöpfer und Repräsentant Prometheus ihm gegenüber ist, von der
Erde vertilgen und ein neues Geschlecht pflanzen. Hier verbindet
Äsdiylus, nicht ohne eine Parallele im ägyptischen Mythus <vgl. oben,
p. 46) das aus dem Schuldbewußtsein des Empörers gegen die
Autorität hervorgewachsene Motiv der Sintflut mit der Titanensage,
um die sich darauf einstellende Sinneswandlung des Prometheus zu
begründen. Zeus will die Menschen von der Erde vertilgen und ein
neues Geschlecht pflanzen. Der Grund für diese Absicht des Zeus,
den Äschylus nicht angibt, wird kein anderer sein, als daß dieses
Geschlecht im Grunde seiner Natur stets titanisch geblieben ist
und in der neuen Weltordnung nicht weiter bestehen darf. Doch
Prometheus durchkreuzt des Zeus Pläne und bewahrt die Menschen
vor dem Untergang. Wider den Willen der Götter leben sie weiter,
Darob erzürnt Zeus und bestraft den Prometheus für seine Menschen-
liebe. — Die durch Zeus repräsentierte Gemeinschaft, der sich auch
Prometheus in einer Periode seines Lebens angeschlossen hatte, ist
in ihren Ansprüchen an den Einzelnen unersättlich und verlangt seine
unbedingte Unterwerfung unter die <auf das Mittelmaß zugeschnittene)
Autorität.
Doch Prometheus weiß, daß er sich nicht völlig hingegeben hat/
er ist im Besitze des Geheimnisses, auf dem Zeus' Macht
beruht, und vermag darum den Schergen des Olympiers zu trotzen,
die ihn in den Einöden Skythiens an einen Felsen schmieden. Zeus
ist es bestimmt, von einem noch ungeborenen Sohn der Herr-
schaft entsetzt zu werden1.
Damit kehrt das alte titanische Motiv der Verdrängung
des Vaters durch den Sohn wieder, aber in einer Ausweitung,
die seinen Sinn um ein Bedeutendes vertieft. Der Bestand der WelG
Ordnung beruht immer noch darauf, daß jeder Rückfall in den vor
der Konversion der unbewußten infantilen Einstellung bestandenen
Zustand vermieden wird. Es ist überaus lehrreich, in diesem von
schwerwiegender Reflexion geschwängerten Gedankengewebe, wie es
das Äschyleische Drama ist, die Wiederkehr all der uns wohL
bekannten Züge vermerken zu können, durch die sich die älteste
Art von Auflehnung gegen autoritative Mächte kennzeichnet.
LInsere Überzeugung von der infantilen Bestimmtheit der
1 Nach Weckiein in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Prometheus,
p. 16, die Herbeiziehung eines Mythus, der ursprünglich mit der Prometheussage
in keinem Zusammenhang stand. Äschylus benützte die bei Pindar Isthm. VII 60
noch in ihrer älteren Gestalt vorliegende Sage, Themis habe, als Zeus und Po^
seidon um Thetis freiten, den Ratschluß des Schicksafs verkündet, daß die Meeres-
göttin einen Sohn gebären solle, der mächtiger als sein Vater sein, und, wenn
Zeus oder Poseidon sich mit ihr verbinden, »eine Waffe schwingen werde, ge^
waltiger als Wetterstrahl und Dreizack«. Äschylus ließ die Beziehung der Sage
auf Poseidon fallen, legte die Kunde von jener Schicksalsbestimmung, welche der
Schicksalsgöttin Themis zukommt, dem Prometheus bei und macht zu dem Zwecke
den Sohn der Klymene zum Sohne der Themis.