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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 2.1913

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Jones, Ernest: Andrea del Sartos Kunst und der Einfluß seiner Gattin
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https://doi.org/10.11588/diglit.42095#0480

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Andrea del Sartos Kunst und der Einfluß seiner Gattin

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sind nur neue Äußerungen ihrer tiefen Mysterien . . . Die Werke von
Männern wie Buonarotti und Leonardo verraten tausend Fein-
heiten der Erfindung und erfüllen uns mit Staunen über die Schwierig-
keiten, von denen sie sich nicht abschrecken ließen und die sie über-
wanden, Aber Andrea wußte nichts von solchen Kompliziertheiten,-
technische Schwierigkeiten gab es für ihn nicht . , , Sein wunder-
bares Talent, das ihm schon früh den Titel »senza errori« einge-
tragen hatte und die natürliche Einfachheit seines Charakters ließen
ihn ohne den Wunsch zu verblüffen. Er strebte nichts an, was nicht
im Bereich seines lenksamen Pinsels lag, und je länger der Be-
schauer seine Werke betrachtet, desto größer wird seine Bewunde-
rung gegenüber dieser umfassenden Einheit und Ganzheit . , , Diese
Eigenschaft der natürlichen Einfachheit, dieser Mangel jeder Über-
treibung ist es, der del Sarto in so hohem Maße zu einem
Künstler macht, der mehr zu Künstlern spricht als zum gewöhn-
lichen Publikum,- denn dieses ist ohne Verständnis für die vornehme
Einfachheit seiner Werke und seine erstaunliche Macht über die
Technik«1. Er sagt von Andreas Meisterwerk, der Madonna des
San Francesco, »die Schönheit dieses Gemäldes übersteigt alles
Lob« und von den Scalzi-Fresken »ihre Technik enthüllt uns die
fast übermenschliche Kraft des Künstlers, der — innerhalb der
Grenzen des Clair-obscur — sich hier als vollendeter Meister der
Farbe erwiesen hat. Sie wurden von keinem anderen Künstler Italiens
erreicht«2. Über das berühmte letzte Abendmahl schreibt er:
»Kein anderes Wort als schimmernd kann den wie von Edelsteinen
ausgehenden Farbeneindrude und die herrliche Zeichnung be-
schreiben, die beim Eintritt in das Refektorium des Salvi-Klosters
das Auge verblüffen.« Es war die Schönheit dieser wunderbaren
Schöpfung, die sie während der Belagerung von Florenz vor der
Vernichtung rettete,- als die Soldaten, die das Kloster dem Erd-
boden gleichgemacht hätten, in das Refektorium einbrachen und dem
erhabenen Drama gegenüberstanden, das der Pinsel des Künstlers
so lebendig dargestellt hatte3, da hielten sie inne, wie von einem
Zauber gefesselt, Bottari nennt Andreas Tabernacolo »ein gött-
liches Gemälde, eines der schönsten, die je aus Menschenhand hervor-
gingen«4 und ähnlichen Lobeshymnen begegnen wir häufig genug.
Eine recht warme enthält auch Michel Angeles Bemerkung zu
Raphael:
Mein Freund, da gibt's so einen kleinen Wicht
In unserm Florenz, niemand achtet sein,
Der, wäre er zu Plan und Werk berufen,
1 Guinness, Andrea del Sarto. 1899, p. V, 57, 58.
2 Guinness, p. 21, 44, 45.
3 Guinness, p. 42. Nach Vasaris Bericht über diese Episode <Vol. III,
p. 224) wurde das Gemälde von dem kommandierenden Offizier gerettet. Die
reicher ausgeschmückte Version scheint auf Varchi (Storie fiorentine, Vol. III,
p. 186) zurückzugehen.
4 Zitiert von Guinness, p. 32.
 
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