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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 6.1920

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Róheim, Géza: Zur Psychologie der Bundesriten
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https://doi.org/10.11588/diglit.25677#0410
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Dr. Geza Rohei m

geht, gleich wie das Haupt dieses Bockes abgeschnitten ist, soll das Haupt
des Mati'ilu abgeschnitten werden.« <J. Pedersen; Der Eid bei den
Semiten. 1914, 110.) Und daß im Schwur eine gegen den Vater gerichtete
symbolische Aggression in latenter, gehemmter Form verborgen ist, zeigt
uns der Fall der Samojeden, die den Angriff gegen einen Götzen, also
gegen ein Vatersymbol richten, den unbewußten Sinn so durch eine Wieder*
kehr des Verdrängten verratend. Aus Schnee, Eis oder Erde verfertigen
die Samojeden ein Götzenbild, das feierlich entzweigeschnitten wird, wobei
sie ausrufen: »Möge idi ebenso entzweigeschnitten werden, wenn ich eine
Unwahrheit gesagt habe.« <R. Lasch: Der Eid. 1908. 88.) Ein Zug der
Brith scheint aber dem doch so scharfsichtigen Verfasser zu entgehen oder hält
er eine Erklärung nicht für notwendig? Beim »Brith« schreiten die Vertrags*
schließenden durch einen zerteilten Tierkörper hindurch. Diesen Zug faßt
Liebrecht <Zur Volkskunde. 1879,349.) und nadi ihm Zachariae {Schein*
gebürt. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 1910, 152.) als symbolische
Wiedergeburt auf. Ähnliche Spaltungsriten mit dem Durchziehen, Durchs
schreiten oder =kriechen der Bündnisschließenden der Kranken oder als
Ordale bei Sündern werden ebendort angeführt,- auch als Verbrüderungs-
riten kommen sie vor. Die Verbrüderung dürfte eben der ursprüngliche
Sinn des Ritus sein, wobei dann dem zerteilten Tiere, dem gespaltenen
Baum oder Felsen eine mütterliche Bedeutung zukommt. Das Hindurch-
schreiten Jahves durch die zerteilten Tiere dürfte also dem Hindurchschreiten
der Juden durdr das Rote Meer gleichzusetzen und als Geburtsritus zu
fassen sein. Beim böhmischen Grenzeid schneidet der Schwörende ein Stück
Rasen aus der Erde, legt sich denselben auf den Kopf und, so sich vor
Zeugen kreuzigend, schwört er, daß, wenn er sein Recht falsch fordere, die
Mutter Erde auf Ewigkeit ihn bedecken soll {Kapras: Der altböhmische
Grenzeid im Grabe unter dem Rasen. Zeitschrift für vergleichende Rechts-
wissenschaft. XXXIV, 1916, 305.) wobei die Regression in die Intrauterin*
lage auch noch durch die Nacktheit oder deren symbolische Äquivalente an*
gedeutet wird. In den Sagen der Pendschab schwört der Held, indem er die
Milch seiner eigenen Mutter trinkt {Lasch: loc. cit. 73) und Jellinek hat in
seinem Kongreßvortrag {Ethnologische Beiträge zur Psychologie der Freund*
Schaft. Budapest 1918.) alle die bei magischen Bündnissen vorkommenden
Flüssigkeiten als Substitute der Muttermilch gedeutet. Das Zurückgehen in den
Mutterleib bedeutet aber den Inzest und somit wäre die Handlung, welche
die Tötung des Vaters {Zersdineiden der Tiere) eben als Absage an Hand*
lungen dieser Art durchsetzt, auch eine symbolische Andeutung des Inzestes
{Durchschreiten) und das Tier würde in der Überdeterminierung sowohl
Vater wie Mutter symbolisieren. Eine zweite Deutung der Wiedergeburts*
riten bei der Brith ist auch in Betracht zu ziehen. Reik würde darin gewiß
ein Analogon zu den Pubertätsriten erblicken und den Ritus als Wieder*
gebürt durch den Vater, d. h, Ausschaltung des Inzestkomplexes und homo*
sexuelle Sublimierung der gegen den Vater gerichteten Aggressivität er*
blicken. So bedeutet die Handlung in der Versagungsform gerade das Ent*
gegengesetzte dessen, was sie in ihrer wohl ursprünglicheren direkten Form
darstellt und entspricht somit ganz dem vom Verfasser aufgedeckten ambi*
tendenten Mechanismus dieser Schwurformel. Allerdings müssen wir, uns
eben an die Reiksche Erklärung der Pubertätsriten anschließend, hinzusetzen,
daß hinter der Wiedergeburt durch den Vater wieder eine zweideutige
Symptomhandlung verborgen ist, indem das Töten der Knaben {als Talions*
strafe ihrer Mordgelüste) angedeutet, aber durch das von den zärtlichen
 
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