Zur Psychologie der Bundesriten
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Strömungen determinierte Wiedererwecken rückgängig gemacht wird. In einer
ursprünglichen, reinaggressiven Art <d. h. ohne Wiederbelebung) findet sidi
der Ritus bei den Wadschagga. Ein Knabe und ein Mädchen werden, nach--
dem die Paktierenden damit drei- oder siebenmal eingekreist und die Be-
schwörungsformeln gesprochen wurden, in der Mitte entzweigeschnitten und
an did Grenze, die die beiden Länder trennt, eingegraben, worauf dann die
Paziszenten, über das Grab hinwegsdireitend, ihren Heimweg antreten. Nadt
einer Variante sollen die Kinder lebendig begraben werden. Wie die Kinder
entzweigesdinitten werden, so auch das Dasein der Bundbrüchigen, er soll
sterben wie sie ohne Nachkommenschaft, <J. Raum: Blut- und Speichel-
bünde bei den Wadschagga. A. R. W., X., 289.) Der Schlußsatz beweist
ganz deutlich, daß das Töten der Kinder eigentlich ein von der unbewußten
Vergeltungsfurcht motiviertes symbolisches Töten der eigenen Nachkommen
ist. Die Analogie mit den Pubertätsriten wird aber ganz evident durch eine
etwas abweichende Form desselben Brauches. Hier wird nämlich der Vertrag
mit dem Blut unbeschnittener Knaben und Mädchen geschlossen. Zwei
Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, die von der schutzsuchenden, schwächeren
Landschaft geliefert werden, werden an den Ort des Bundesschlusses ge-
bracht, wo die Krieger der beiden paktierenden Landschaften bereits versammelt
sind. Die beiden Kinder werden beschnitten und das Beschneidungsblut in
einem Messinggefäß aufgefangen. Über diesem Blut wird von den Vertretern
der beiden Parteien je eine Beschwörungsformel ausgesprochen, indem jeder
Teil den Fluch des Aussterbens auf sich selbst oder auf den anderen Teil
für den Fall des Bundesbruches herabruft. Darauf wird das Blut mit Bier
vermischt getrunken. <Raum: loc. cit. 289.) Zu diesem Trinken des Zir-
kumzisionsblutes finden sich Analogien in den Pubertätsbräudien: das ganze
darf wohl dem Totemsakrament und den verschiedenen Formen des Bluts-
bundes an die Seite gestellt werden. Daß die beschnittenen Kinder von der
schwächeren Partei geliefert werden, deutet darauf, daß diese gleichsam als
Söhne um den väterlichen Schutz ansuchen. <Vgl, die entsprechenden gegen-
seitigen Benennungen als »Onkel«, »Väter«, »Kinder« bei den Iroquois und
Algonquinstämmen.) Mit diesen latenten Tod und Wiederauferstehungs-
vorstellungen fügt sich also der Brith ungezwungen in den Vorstellungs-
kreis des Kolnidre und des Versöhnungstages ein. <Vgl. jetzt auch Abra-
ham: Der Versöhnungstag. Imago VI. 1920. 80.)
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Strömungen determinierte Wiedererwecken rückgängig gemacht wird. In einer
ursprünglichen, reinaggressiven Art <d. h. ohne Wiederbelebung) findet sidi
der Ritus bei den Wadschagga. Ein Knabe und ein Mädchen werden, nach--
dem die Paktierenden damit drei- oder siebenmal eingekreist und die Be-
schwörungsformeln gesprochen wurden, in der Mitte entzweigeschnitten und
an did Grenze, die die beiden Länder trennt, eingegraben, worauf dann die
Paziszenten, über das Grab hinwegsdireitend, ihren Heimweg antreten. Nadt
einer Variante sollen die Kinder lebendig begraben werden. Wie die Kinder
entzweigesdinitten werden, so auch das Dasein der Bundbrüchigen, er soll
sterben wie sie ohne Nachkommenschaft, <J. Raum: Blut- und Speichel-
bünde bei den Wadschagga. A. R. W., X., 289.) Der Schlußsatz beweist
ganz deutlich, daß das Töten der Kinder eigentlich ein von der unbewußten
Vergeltungsfurcht motiviertes symbolisches Töten der eigenen Nachkommen
ist. Die Analogie mit den Pubertätsriten wird aber ganz evident durch eine
etwas abweichende Form desselben Brauches. Hier wird nämlich der Vertrag
mit dem Blut unbeschnittener Knaben und Mädchen geschlossen. Zwei
Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, die von der schutzsuchenden, schwächeren
Landschaft geliefert werden, werden an den Ort des Bundesschlusses ge-
bracht, wo die Krieger der beiden paktierenden Landschaften bereits versammelt
sind. Die beiden Kinder werden beschnitten und das Beschneidungsblut in
einem Messinggefäß aufgefangen. Über diesem Blut wird von den Vertretern
der beiden Parteien je eine Beschwörungsformel ausgesprochen, indem jeder
Teil den Fluch des Aussterbens auf sich selbst oder auf den anderen Teil
für den Fall des Bundesbruches herabruft. Darauf wird das Blut mit Bier
vermischt getrunken. <Raum: loc. cit. 289.) Zu diesem Trinken des Zir-
kumzisionsblutes finden sich Analogien in den Pubertätsbräudien: das ganze
darf wohl dem Totemsakrament und den verschiedenen Formen des Bluts-
bundes an die Seite gestellt werden. Daß die beschnittenen Kinder von der
schwächeren Partei geliefert werden, deutet darauf, daß diese gleichsam als
Söhne um den väterlichen Schutz ansuchen. <Vgl, die entsprechenden gegen-
seitigen Benennungen als »Onkel«, »Väter«, »Kinder« bei den Iroquois und
Algonquinstämmen.) Mit diesen latenten Tod und Wiederauferstehungs-
vorstellungen fügt sich also der Brith ungezwungen in den Vorstellungs-
kreis des Kolnidre und des Versöhnungstages ein. <Vgl. jetzt auch Abra-
ham: Der Versöhnungstag. Imago VI. 1920. 80.)