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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 1
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Giese, Fritz: Psychoanalytische Psychotechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0126
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Dr. Fritz Giese

blätter von hervorragenden Fachleuten entwerfen läßt. Der Künstler erotisiert
das Thema in einer Form, die den kaufmännischen Erfolg gänzlich ver-
hindert. Er wählt nicht das Tippfräulein als Arbeitssymbol für die Schreib-
maschine. Er bietet beispielsweise vielmehr Einblick in ein Boudoir, in
dem auf einem hübschen Sofa eine elegante Dame mit Strumpf und Hemd
bekleidet hockt. Sie liest ein Billettdoux, in der einen Hand kost sie haltend
den Schoßhund. Auf einem Tischchen vor ihr ist eine Schreibmaschine
aufgestellt. Das farbige Bild enthält einen schmalen, weißen, unteren Band,
der die Firma nennt, bringt aber sonst nichts Näheres. Was wird geschehen?
Mancher wird sich libidinös an der Nudität freuen. Keiner wird darauf
verfallen, daß das eine Reklame für eine Schreibmaschine sein soll. Wer
die Zeichnung besonders schätzt, wird aber den weißen Rand mit dem
Firmenaufdruck säuberlich abschneiden und das Ganze sich als Vielfarbendruck
vielleicht an die Wand der Junggesellenwohnung hängen. Keine, auch nicht
die geringste bewußte Brücke zwischen erotisiertem Gefühlston des Bildes
und logischer Apperzeption der Schreibmaschine und ihrer Herkunft. Ein
Beispiel für viele, um Versager der Werbkunde durch ganz und gar un-
angebrachte Emotionalisierung eines bildnerischen Sachverhaltes vorzuführen.
Man könnte dergleichen Parallelen in großer Fülle bringen.
Ich möchte hiemit die kurzen Bemerkungen über Reklamepsychologie
in psychoanalytischer Beleuchtung schließen. Jedem wird klar geworden
sein, welche Fülle von Problemen dort noch verborgen ruht und wie auch
die Psychoanalyse selber zu typologischen Ergebnissen durch die Reklame
kommen kann, welche Befunde der Pathologie ergänzen helfen.
LITERATUR
Giese, Sexualvorbilder bei einfachen Erfindungen. Imago 1915. — Jung, Wand-
lungen und Symbole der Libido. Jahrbuch, III ff., 1912, und Psychologische Typen.
Zürich 1921. — Le Bon, Psychologische Grundgesetze der Völkerentwicklung. Leipzig
1922. — Freud, Jenseits des Lustprinzips. Wien 1920, und Das Ich und das Es.
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W. Stern, Person und Sache. Leipzig 1906 und 1919. — Giese, Psychotechnisches
Praktikum. Halle 192g. — Hermann, Intelligenz und tiefer Gedanke. Internationale
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analyse. Ebenda. — Schneider, Emst, Psychotechnik und Psychoanalyse. Schulreform
(Berner Seminarblätter) 1921. — Baumgarten, Die psychoanalytische Bewegung.
Praktische Psychologie 1920. — Giese, Medizinische Psychologie. Referat in Psycho-
technische Rundschau 1921 (2). — v. Hartungen, Psychologie der Reklame. Stutt-
gart 1921. — Seyffert, Die Reklame des Kaufmanns. Leipzig 1914.
 
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