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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 1
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Giese, Fritz: Psychoanalytische Psychotechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0129
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Psychoanalytische Psychotechnik

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stammt. Das ist besonders wichtig für die Eignungsprüfung, da diese
zweifelsohne — vor allem aus Gründen des Arbeitsmarktes — bei der
Lehrlingsprüfung in erster Linie proletarische Schichten vor sich sieht.
Immerhin kann zugegeben werden, daß das statistische Streuungsverhältnis
der interindividuellen Stellungsnahmen und Verhaltungsweisen in der
Psychoanalyse noch stärker untersucht werden könnte und wenn vormals
die Einzelfälle der durchgeführten Analysen vielleicht nicht genügten, so
sieht das heute angesichts des Materials anders aus. Eine solche Statistik
müßte natürlicherweise auch das intraindividuelle Vorkommen dieser oder
jener emotional betonten Einstellung (sagen wir Analerotik, Ödipus-Komplex,
um Stichworte zu erwähnen) beim selben Menschen untersuchen, obschon
oder weil die Simultaneität aller Varianten bei fast allen Fällen und über-
tragen auch bei jedermann angenommen wurde. Dies ist eine Forderung,
die durchaus wissenschaftlichen Wert hat und Untersuchungen der Normal-
psychologie über Vorkommen von Farbenblindheit oder eidetischer Vor-
stellungswelt etwa parallel laufen würde.
Bleiben wir also bei der Annahme der verhältnismäßigen Allgemein-
gültigkeit der psychoanalytischen Befunde — eine Annahme, die hinsicht-
lich der Fehlleistungen des Alltags jeder offene Beobachter wohl ohne-
weiters zugeben würde — so entsteht die oben genannte Frage, inwieweit
in der psychotechnischen Eignungsprüfung die Tiefenpsychologie An-
wendung finden könnte? Ein erstes Gebiet wäre schon die sogenannte
Berufskunde. Jeder Eignungsprüfung geht naturgemäß eine Aufstellung
der für den betreffenden Beruf oder die Arbeitskategorie &Zoc notwen-
digen psychischen Funktionen, der Berufs- und Arbeitseigenschaften voraus.
Das bedingt aber wiederum eine Untersuchung der Berufseigenart selbst,
denn bevor ich aus der Fülle der Prüfmittel mir die für den Fall not-
wendigen Arten aussuche, also das Versuchsschema bilde, muß ich wissen,
wie der Beruf sich darstellt, welches Gesicht er hat. Die volkswirtschaft-
liche und pädagogische oder rein medizinische Seite (Gewerbehygiene)
würde dabei für diesen Zweck nicht so wichtig sein, als die psychologische
Berufskunde. Die berufkundliche Erschließung der Arbeitsfelder ist in
großen Zügen versucht worden, aber in dieser Beziehung noch sehr dürftig.
Nur wo es zur Ausarbeitung bestimmter psychotechnischer Ausleseverfahren
kam, hat man sich mit den psychologischen Gegebenheiten befaßt.
Ich möchte einige Punkte nennen, von denen anzunehmen wäre, daß
psychoanalytische Betrachtung Fortschritte bringen könnte. Jene berufs-
psychologischen Eigenschaften, die sich an der Oberfläche bewegen, inter-
 
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