Dr. R. Spiez
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nachgeht. Spengler unterscheidet ein apollinisches, magisches und fausti-
sches Weltbild. Für unsere Zwecke genügt die Unterscheidung der magischen
Periode von der über das Magische hinausschreitenden Religionsperiode.
Was unterscheidet nun die eine von der anderen? Ich meine, das Auf-
treten der Transzendenz im Denken.
Die magische Denkart kennt die Transzendenz nicht. In den Anfängen
empfindet der Primitive den Unterschied Subjekt — Objekt gar nicht.
Später objektiviert er wohl die Umwelt, steht aber mit ihr von Gleich zu
Gleich. Selbst in den hoch entwickelten magischen Kulten bleibt das
Grundprinzip die Möglichkeit, die Gottheit zu zwingen. Dagegen ist es
ein Charakteristikum der metaphysischen Transzendenzreligionen, daß diese
den Gedanken an einen Zwang aufgeben, damit die Gottheit imyAcife als
ein nicht Gleichgeartetes, ein Höheres, ein Transzendentes anerkennend.
Freilich, die Spuren des magischen Zwanges haften den Religionen bis
zum heutigen Tage an. Am bekanntesten wird wohl das alttestamentarische:
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!" sein; aber in unseren
Tagen (1893 Sizilien) kommt es in Zeiten der Dürre vor, daß der ver-
antwortliche Schutzheilige strafweise seiner Prunkgewänder entblößt, ja
sogar im Freien aufgestellt und der sengenden Sonne ausgesetzt wird, bis
die gewünschte Wetteränderung eintritt (Golden Bough yg).
Wir finden zahlreiche andere Faktoren in unseren heutigen hochmeta-
physischen Religionen, die deutlich magischen Ursprung zeigen; es würde
zu weit führen, sie aufzuzählen. Jedenfalls sehen wir einen unmittelbaren
Übergang aus magischen Fruchtbarkeitskulten in metaphysische Tran-
szendenzreligionen und müssen darum von den Ursprüngen der Magie her
versuchen, Klarheit über das Funktionieren des menschlichen Denkens bei
der Schöpfung der Transzendenzreligionen zu gewinnen.
Was also ist die magische Weltanschauung, das magische Zeremoniell?
Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, eine erschöpfende Untersuchung der
magischen Weltanschauung zu geben und so mögen denn nur Annäherungs-
definihonen folgen, wenn ich mir auch bewußt bin, daß manche Faktoren
dabei vernachlässigt werden — sei es, daß diese Definitionen nicht das
ganze Phänomen umfassen, sei es, daß in dieselben auch nicht dazugehörige
Phänomene eingefügt werden können. Ich möchte sie als „Arbeits-
definitionen" gewertet haben, in der Art der Arbeitshypothesen. Sie wurden
für diese Untersuchung, <26? Aoc, geprägt, und wenn sie die Kontinuität
der Untersuchung ermöglichen, so haben sie ihren Zweck erfüllt, ohne
einen weiteren Anspruch auf Eigendasein zu erheben.
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nachgeht. Spengler unterscheidet ein apollinisches, magisches und fausti-
sches Weltbild. Für unsere Zwecke genügt die Unterscheidung der magischen
Periode von der über das Magische hinausschreitenden Religionsperiode.
Was unterscheidet nun die eine von der anderen? Ich meine, das Auf-
treten der Transzendenz im Denken.
Die magische Denkart kennt die Transzendenz nicht. In den Anfängen
empfindet der Primitive den Unterschied Subjekt — Objekt gar nicht.
Später objektiviert er wohl die Umwelt, steht aber mit ihr von Gleich zu
Gleich. Selbst in den hoch entwickelten magischen Kulten bleibt das
Grundprinzip die Möglichkeit, die Gottheit zu zwingen. Dagegen ist es
ein Charakteristikum der metaphysischen Transzendenzreligionen, daß diese
den Gedanken an einen Zwang aufgeben, damit die Gottheit imyAcife als
ein nicht Gleichgeartetes, ein Höheres, ein Transzendentes anerkennend.
Freilich, die Spuren des magischen Zwanges haften den Religionen bis
zum heutigen Tage an. Am bekanntesten wird wohl das alttestamentarische:
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!" sein; aber in unseren
Tagen (1893 Sizilien) kommt es in Zeiten der Dürre vor, daß der ver-
antwortliche Schutzheilige strafweise seiner Prunkgewänder entblößt, ja
sogar im Freien aufgestellt und der sengenden Sonne ausgesetzt wird, bis
die gewünschte Wetteränderung eintritt (Golden Bough yg).
Wir finden zahlreiche andere Faktoren in unseren heutigen hochmeta-
physischen Religionen, die deutlich magischen Ursprung zeigen; es würde
zu weit führen, sie aufzuzählen. Jedenfalls sehen wir einen unmittelbaren
Übergang aus magischen Fruchtbarkeitskulten in metaphysische Tran-
szendenzreligionen und müssen darum von den Ursprüngen der Magie her
versuchen, Klarheit über das Funktionieren des menschlichen Denkens bei
der Schöpfung der Transzendenzreligionen zu gewinnen.
Was also ist die magische Weltanschauung, das magische Zeremoniell?
Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, eine erschöpfende Untersuchung der
magischen Weltanschauung zu geben und so mögen denn nur Annäherungs-
definihonen folgen, wenn ich mir auch bewußt bin, daß manche Faktoren
dabei vernachlässigt werden — sei es, daß diese Definitionen nicht das
ganze Phänomen umfassen, sei es, daß in dieselben auch nicht dazugehörige
Phänomene eingefügt werden können. Ich möchte sie als „Arbeits-
definitionen" gewertet haben, in der Art der Arbeitshypothesen. Sie wurden
für diese Untersuchung, <26? Aoc, geprägt, und wenn sie die Kontinuität
der Untersuchung ermöglichen, so haben sie ihren Zweck erfüllt, ohne
einen weiteren Anspruch auf Eigendasein zu erheben.