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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 2 u. 3
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Róheim, Géza: Kritiken und Referate
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0356
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544

Kritiken und Referate

Wir wollen hier kurz einige Veröffent-
lichungen erwähnen, die für den Psycho-
nen oder auch dort bereits besprochen
wurden, nicht berücksichtigt, da diese Zu-
sammenstellung eben nur flüchtige Hin-
weise auf sonst Unbemerktes bringen soll.
Die erste Gruppe enthält Arbeiten, die
sich auf die Psychoanalyse beziehen: ent-
weder zustimmend oder abweisend; in die
zweite haben wir Arbeiten gestellt, deren
Resultate für die Psychoanalyse bemer-
kenswert sind.
I
Das Buch von Cohen-Portheim (1)
kann im großen und ganzen als ein ge-
lungenerBeitrag zur differentiellen Völker-
psychologie betrachtet werden, wenn auch
das meiste schon von anderen anders ge-
sagt worden ist. Europa — Extraversion,
Asien — Introversion bildet die Grundlage
der ganzen Arbeit. Verfasser hat viel von
der Psychoanalyse profitiert und würdigt
die Lehre Freuds auch ausdrücklich in
zustimmenderWeise (S. 18g). Die Bemer-
kungen über Haß auf Grundlage der Ähn-
lichkeit und Differenzierung sowie über
Judentum und Christentum treffen un-
zweifelhaft das Richtige (S. 42). An dem
Buch ist nur die nicht rein wissenschaft-
liche Behandlung des Themas und die ana-
gogische Tendenz auszusetzen.
Die Arbeiten von Thurnwald"(6, 7)
und von Rivers (g) rühren von Autoren
her, die sich noch gegen die psychoana-
lytische Erkenntnis sträuben. Rivers will
den Beweis erbringen, daß das Wasser
nichts mit dem Symbolismus der Wieder-
geburt zu tun habe; dabei schränkt er
aber den Umfang des Beweismaterials
willkürlich ein und behandelt nur die
Riten der Geheimgesellschaften. Selbst

auf diesem Gebiet ist es ein leichtes
nachzuweisen, daß er sein Material nicht
erschöpft, sein Hauptargument: „Indien,
das eigentliche Land der Wiedergeburts-
symbolik", ist durch Angaben, die er nicht
berücksichtigt (Hauer: Die Anfänge der
Yogapraxis. 1922. 8g) hinfällig.
In seiner Arbeit über Totemismus
meint Thurnwald, die Freud sehe
Theorie des Totemismus sei schon da-
durch hinfällig, daß einer ihrer Stütz-
pfeiler, die Opfertheorie Robertson-
Smiths, sich als unhaltbar erwiesen habe.
In seiner schönen Monographie über die
Bünaro [die in diesem Hefte auch ge-
sondert noch besprochen wird], ist aber
ein recht schlagender und von dem Ver-
fasser auch richtig gedeuteter Fall von
der Verdrängung des inzestuösen Ge-
schlechtsverkehrs (im Ritus) zu finden.
Danzel (2) unternimmt den vergeb-
lichen Versuch, alle Deutungsmethoden
von der Astralmythologie angeblich bis
zu Freud (eigentlich aber nur bis zu
Silber er) zu vereinigen.
Die einzige Arbeit, die sich voll-
kommen auf den psychoanalytischen Stand-
punkt stellt, ist die schöne, auch historisch-
ethnologisch gelungene Monographie von
Pflug (g) über die Wiege, die vom Ver-
fasser mit Berufung auf Rank und andere
psychoanalytische Autoren als Uterussym-
bol gedeutet wird.
Bei Reitzenstein (4) deutet schon die
Wortbildung im Titel seines Aufsatzes
(Ethnoanalyse) darauf, daß ihm die Psycho-
analyse nicht unbekannt ist. Sie wird auch
von ihm als Lehre von den Verdrängungs-
erscheinungen ausdrücklich erwähnt und
angenommen, allerdings mit gleichzeitiger
Berufung auf Freud, Adler und St ekel
(S. 4g). Viel wird sich der Verfasser je-
doch nicht mit der Psychoanalyse be-
schäftigt haben, sonst hätte er sie —
 
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