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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 4
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Westerman Holstijn, A. J.: Die psychologische Entwicklung Vincent van Goghs
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0420
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A. J. Westerman Holstijn

keit, das alles hier zu betätigen. Sein jahrelanges Vorstudium und seine
artistische Begabung befähigten ihn dazu, hier etwas von bleibendem Wert
zu schaffen.
Jetzt erübrigt es sich noch seine Einstellung zu Christus ins Auge zu
fassen. Seine eigenen Worte sind hier wieder deutlich genug. Er schreibt
an Bernard (übersetzt von Hartlaub): „Die Christusgestalt, so wie ich sie
fühle, ist allein von Delacroix und Rembrandt gemalt worden, Millet hat
nur die Lehre Christi gemalt. Uber den Rest der religiösen Malerei kann
ich nur lächeln . . . Christus als einziger unter allen Philosophen, Magiern usw.
hat als Hauptlehre ein ewiges Leben bejaht, die Unendlichkeit der Zeit,
die Nichtigkeit des Todes, die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Wahr-
heit und der Hingebung." Die nächsten Zeilen, von ihm selbst gesperrt,
lasse ich unübersetzt: „LZ a: Fdreinenzcnt, en <zrfi.stg /pZzzs gr^nL
^OM.s Z^y LeLaign^n^ Ze murZ?re ^ Z'argZZe Za
coaZ<?Mr, ^ravaZZZan^ gn cZzaZr viuanfg." Weiter geht es dann: „Das
heißt, dieser unglaubliche Künstler, der für das grobe Instrument unseres
modernen, nervösen und zerrütteten Gehirns unbegreiflich ist, schuf weder
Statuen noch Bilder, noch auch Bücher — er sagt es selbst ausdrücklich —
er schuf wirklich lebendige Menschen, Unsterbliche . . ." Und er
endet: „Cas /jaroZay /parZeas — graazZ ^cigacar /proLZgne ?'Z ac haZg/auY
/ad/ag /?a^ dcrZrc, — ^oaf aa Las /?Zas Zzaa^s — Za /?Zax Aaat — soataza^s
^par Z'arf, <yaZ y LaaZaar jZorca crd<3^ric<?, /paZssaaca craatrZca /para." Christus
war ihm also der Artist, „<?ai frauaZZZah a;z cZpaZr aZaaa^a", und durch die
befruchtende Kraft seiner Worte war er ihm Personifikation der höchsten
Kunst, der „^paZssa/zca craafrica ^para", der Libido. Christus zu malen hat
van Gogh nicht gewagt . . . etwas sehr Bezeichnendes lehrt uns „die Er-
weckung Lazarus'". Eine Radierung Rembrandts hat er in Farben umge-
arbeitet, die Nuancen des CZaZr-OZ?scar in Farbennuancierungen wieder-
gegeben, aber den Christus fortgelassen und statt dessen . . . die Sonne
über Lazarus leuchten lassen!
Wir haben also in Vincents Geist eine Reihe Imagines gefunden, die
für ihn eine ähnliche Bedeutung hatten:


Gott — Sonne — Christus


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Theo— Gelb (Sonnenblume).

Sie alle hatten bei ihm männliche Libidobedeutung. In seinem Ideal-Ich
fanden wir eine Identifizierung mit Vater-Gott-Christus; in seinem Es die
 
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