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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 11.1925

DOI issue:
Heft 1 u. 2
DOI article:
Sperber, Alice: Über die seelischen Ursachen des Alterns, der Jugendlichkeit und der Schönheit
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36528#0113

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Seelische Ursachen des Alterns, der Jugendlichkeit und der Schönheit 9 7

solchen Umständen mußten die Eheaussichten reifer Frauen steigen.
Während früher in erster Linie das junge, fast noch kindliche Mädchen
auf die Huldigungen des männlichen Geschlechtes Anspruch erheben durfte
und ein Mädchen von dreißig Jahren kaum noch begehrenswert erschien,
haben viele Frauen der erwähnten Schichte erst in diesem Alter, zum Teil
auch noch später geheiratet, mit anderen Worten: die Männer hielten an
derjenigen Einstellung zum weiblichen Geschlecht fest, die ihnen in der
Kindheit und in Jünglingsjahren vertraut geworden war und wenn für
diese späten Eheschließungen es auch manchmal in Betracht kommen
konnte, daß die wirtschaftliche Selbständigkeit der Frau die Gründung des
Haushaltes erleichterte, so war dies doch nicht immer der Fall und auch
nicht der alleinige Grund. Gelegentlich heirateten sehr junge Männer viel
ältere Frauen und soweit meine naturgemäß allerdings recht begrenzten
Beobachtungen reichen, waren diese Ehen, mit ihrer starken Betonung des
Mutterkomplexes von seiten des Mannes, der langsamen Enwicklung jener
Männer günstig.
Es ergibt sich nun die Frage, wie sich die allgemein kindliche
Mentalität, die soeben hier beschrieben wurde, zum Problem der jugend-
erhaltenden Kraft des Narzißmus verhält. Nun wäre es ja wohl
möglich, daß Menschen, die sich eine gewisse Kindlichkeit oder Jugend-
lichkeit des Gemütes bewahren, verhältnismäßig lange jung aussehen, auch
dann, wenn sie nicht besonders narzißtisch veranlagt sind, aber ich glaube
doch, daß die derzeitige Seelenverfassung des männlichen Geschlechtes, das
sich einer so schweren Bürde entledigt hat, wie es die Beschützerrolle
gegenüber der Frau bedeutete, einer kindlich narzißtischen Einstellung
günstig ist, denn je weniger die Verantwortung und Sorge für andere das
Gemüt eines Menschen bedrückt, desto mehr wird er geneigt sein, sich
selbst zum Mittelpunkt seines Interesses zu machen.
Ich gehe nun zur Erörterung dieses Problems in bezug auf das weib-
liche Geschlecht über und möchte vor allem eine auch von anderen be-
merkte Tatsache konstatieren. In den ersten Jahren der Frauenemanzi-
pation, als derartige Betrachtungen noch nicht durch Babyfrisuren, Bubi-
köpfe und Schulmädchenkleider erschwert wurden, ist es aufgefallen, daß
Mädchen, deren Schulzeit infolge des Studiums länger währte als jene
anderer Frauen, eine merkwürdige widerstandsfähige Jugendlichkeit be-
wahrten. Vgl. „Quellen und Studien zur Jugendkunde", herausgegeben von
Charlotte Bühler, Heft 1. „Tagebuch eines Mädchens", Jena 1922, S. 6:
Es handelt sich um ein Gespräch einer Lehrerin mit ihrer etwa vierzehn-


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