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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 11.1925

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Heft 4
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Hermann, Imre: Gustav Theodor Fechner: Vortrag in der Ungarischen Psychoanalytischen Vereinigung, 1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.36528#0424

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Dr. Imre Hermann

Natürlich bewegen sich unsere Untersuchungen vorläufig ganz
im groben; wir können nur einige Begabungsarten auf solche fakultogene
Faktoren zurückführen und auch bei diesen glauben wir, diese Faktoren
nicht mit der genügenden Schärfe in Worte gefaßt zu haben und wären
auch nicht erstaunt, wenn neben den bekannten Faktoren sich noch andere,
unbekannte auffinden ließen. Man möge auch nicht aus den Augen ver-
lieren, daß die hier zu entwickelnde Theorie sich aus Krankenanalysen
ergab.
Klar liegt die Sachlage bei der zeichnerischen Begabung. Der eine
Faktor ist hier die starke Erogeneität der Hände. Als eine Art
Sublimierung dieser Libidomenge fassen wir dann die zeichnerische
Begabung auf. Und zwar denken wir uns die Sache so, daß, während bei
einer geringeren Erogeneität der Hände die ursprünglich primären Peripher-
prozesse (Gestaltbildungen) ^ der Hand im Laufe der gesetzmäßigen Ent-
wicklung bald durch zentrale — intellektuelle — Prozesse abgelöst werden,
bei erhöhtem Libidotonus eine Sublimierung in dem Sinne stattfinden
kann, daß die Libidomenge zu peripheren Gestaltbildungen benützt wird
und so die Peripherprozesse weiter, höher entwickelt werden.
Der andere Faktor, der den erhöhten Libidotonus zwingt, gerade diese
Bichtung der Gestaltbildung zu wählen, ist sodann die eigene Körper-
schönheit bei heterosexuellen Männern; bei stark homosexuellen Männern
kann die eigene ausgesprochene Körperhäßlichkeit dasselbe bewirken. Nun
kann diese Körperschönheit auf einer organischen Basis beruhen (der Ent-
wicklungsfaktor, der die Ausgestaltung des Körpers gerade in diese Geleise
schob) und als Folge einer speziellen Libidoqualität aufgefaßt werden, sie
kann aber auch als eine eingebildete, eine nur seelisch-inhaltlich existierende,
vorhanden sein. Mindestens diese zwei Faktoren arbeiten nun so zusammen,
daß sie die spezielle Begabungsart des Zeichnenkönnens, also des Produzierens
von schönen Formen mit der Hand, hervorlocken; kein Faktor für sich
ist dazu fähig.
Bei der dichterisch-schriftstellerischen Begabung fanden wir als
fakultogene Faktoren: 1) die höhere Erogeneität der Mundzone die
Materie dieser Begabung, die Sprache, wird von dieser Zone (im weiteren

1) Siehe ausführlicher: Die Randbevorzugung als Primärvorgang, Intern. Zeitschr.
f. PsA, IX, 192g und in einem mit A. Hermann-Cziner gemeinschaftlich aus-
gearbeiteten (experimentellen) Aufsatze: Zur Entwicklungspsychologie des Umgehens
mit Gegenständen, Zeitschr. f. angew. Psychol., Bd. XXII, 192g. — Über das System
Mund-Hand sprach ich in einer Sitzung der Ung. PsA. Vereinigung (März io2q).
 
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