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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schulze, Otto: Sollen wir in die Höhe oder in die Breite bauen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0164

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INN EN-DEKORATION

GEH. STADTBAURAT L. HOFFMANN—BERLIN.

Sofapartie aus dem Berliner Zimmer. Holzart: Birkenmaser.

liehen Willen nicht mehr zu gehorchen vermöchte, und
die größte Kanone ebenso unbrauchbar, wenn ihre
Bedienung über die der menschlichen Energie verfüg-
baren Mittel hinaus Anforderungen stellte. Auch dem
Menschenwerke sind Grenzen gesteckt; der Kunst mehr
als der Technik, weil diese aggressiver als jene ist.
Technik ist Hirn, Kunst Herzschlag.

Wir können schließlich alles bilden, gestalten und
bauen; ob schön, das kommt darauf an, ob wir, wie
ich schon andeutete, das richtige Verhältnis dazu finden.
Die Ordnung der Dinge in der bildenden Kunst, der
Schaukunst, muß eben räumlich so zusammenfassend
sein, daß ein Standpunkt einen Totaleindruck ermöglicht,
das heißt, daß man sich zum Werke so in Beziehung
setzen kann, daß wir es »auskosten« können. Man
hat mal gesagt, daß auch die Werke der Technik schön
seien; gewiß, zu dieser Erkenntnis kommen wir aber
auch nur, wenn wir deren Schönheit mit den Augen
zu erfassen vermögen. Der Gotthardtunncl, Riesen-
Talsperren, Bergwerke und dergleichen werden davon
ausgeschlossen bleiben müssen.

Sehen wir nun die Werke der Baukunst an, die
uns die verschiedensten Völker in den Jahrtausenden
überliefert haben, und greifen wir namentlich die Riesen
unter ihnen heraus, so finden wir das bestätigt, daß
die »hochstrebenden« im großen ganzen die geringste
Schönheit aufweisen. Ich möchte fast sagen »Höhe ist
noch keine Größe«. In diesem Sinne halte ich auch
die Mehrzahl der Riesenfiguren für verfehlt. Wie weit
wir darin in der eigentlichen Kunst zurück sind, das

fühlt man erst vor Donatellos Gattamelata, Verrocchios
Colleoni und Schlüters Großem Kurfürst. Sind nicht
doch Bartholdis Freiheitsstatue im Hafen von New-York
und das Hamburger Bismarckdenkmal nur Meisterwerke
der Technik?! Daß wir etwas als groß und schön
erkennen, soll uns nicht klein machen, sondern erheben.
Gerade das Bauwerk muß nicht nur Form sondern auch
Inhalt haben. Alle Gebäude, die unser Thema hiernach
in Betracht zu ziehen hat, einschließlich die für Kult,
sind daher, wenn sie zugleich künstlerisch befriedigend
wirken sollen, in ihrer Höhenmessung mit ihrer Breite
und Tiefe in Einklang zu bringen. Ich brauche nur
an die Tempel und Basiliken der Antike zu erinnern,
um Bestätigung dafür zu finden, daß lurmartige Hoch-
bauten für die Schönheit breit und gestreckt gelagerter
Baumassen kein unbedingtes Erfordernis, ja, daß vielleicht
die überwölbende Kuppel mit Laterne dem ausge-
sprochenen Turmanbau vorzuziehen sein dürfte, vor
allen Dingen da, wo dieser letztere keinem eigentlichen
Baubedürlnis entspringt, sondern angeblich eine bau-
künstlerische Zugabe sein soll.

Wo wir in die Ebene hineinbauen können, da
sollten wir die Gebäude breit und tief lagern und auf
allzu große Höhen verzichten. Das wird ja auch,
entgegen städtischen Bauten, bei den Landhäusern der
Vororte und Gartenstädte erstrebt. Es muß ein An-
schmiegen an den Grund und Boden sein, nur hier und
da ein Hineinlugen in den Himmel zeigend, kein Hinein-
ragen in die Wolken nur um des Hochbauens willen.
Wo ein Turm keine bauliche Bestimmung und keinen
 
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