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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schulze, Otto: Das architektonische Prinzip in Wohnräumen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0251

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INNEN-DEKORATION

229

Prinzip des Raums zurückzuerobern. Es handelt sich
damit nicht nur um das architektonische Moment in
der Raumgestaltung und Raumgliederung, sondern vor
al'en Dingen auch um die Gesetzmäßigkeit, die im Zu-
sammenhange damit auf die Raumfüllung, auf Mobiliar
und Gerät ausströmen soll. Auf diese Weise erhalten
wir eine sogenannte tektonische Ordnung zwischen Fuß-
boden, Wand und Decke, die wir bei gutem Ausklingen
a's eine raumkünstlerische Lösung bezeichnen. Die
einheitliche Wirkung eines Raumes beruht eben darin,
daß alle Einzelheiten zu einander jene Beziehungen ge-
winnen, die wir als Abhängigkeitsverhältnis bezeichnen,
^as gilt für das Möbel so gut wie für das Bild, weil
eben kein einzelner Teil aus der geschlossenen Wirkung
fiir sich allein hervortreten soll.

Das architektonische Moment im Raum sorgt ge-
wissermaßen für die Ordnung der Dinge, weist jedem
Stück seinen Platz an, jeder Farbe ihre Fläche und
dem Fenster ein bestimmtes Maß von Lichtflutung. Ks
gibt eine ganze Anzahl von Räumen, wie das Speise-
zimmer, das Bibliothekszimmer, das Herrenzimmer und
ai'ch Schlafzimmer und Küche, denen ein struktives
Gefüge und damit der Ausdruck des architektonischen
''rinzips sehr wohl anstehen, denn gerade in ihnen ist
ein Wechsel der Dinge, auch schon ein vorübergehendes
durcheinander, von großem Einfluß auf Behaglichkeit
lln<l Ruhe. Wohnzimmer, Salon, Empfangszimmer, Spiel-
zimmer und dergleichen sind dem viel weniger aus-
gesetzt, ihnen muß eine gewisse Beweglichkeit und
Veränderlichkeit verbleiben. Dagegen ist das architek-
tonische Moment im Raum um so mehr zu steigern,

je höher die Bestimmung nach der Seite der Würde
und Festlichkeit zum Ausdruck gelangen soll, um auf
die Haltung und Gesinnung der Raumbesucher von
Einfluß zu werden.

Es ist naheliegend, daß alle in sich architektonisch
geschlossenen Räume auf längere Zeit fester Bestand
bleiben sollen, denen Laune und Mode fern gehalten
bleiben muß. Man kann ihnen also so wenig etwas
nehmen wie hinzutun, ohne zuvor reiflich erwogen zu
haben, welche Rückwirkung das zeitigen wird. So sind
bei Wandteilungen die Bildergrößen festgelegt, für die
Mehrzahl der Möbel ist ein bestimmter Platz vorgesehen,
der wiederum für die Abmessung der Möbel bestimmend
gewesen ist; jedes beliebige Hinzustellen anderer Möbel
wird verhängnisvoll, weil das architektonische Gleich-
gewicht, die Harmonie der Massen gefährdet wird.

Aus diesen knappen Hinweisen geht hervor, daß
das architektonische Prinzip im Raum eigentlich nur
für das Eigenhaus seine Berechtigung hat. Die Miet-
wohnung ist zu sehr dem Wechsel von Menschen und
Dingen unterworfen, als daß sie aus den Forderungen
des architektonischen Prinzips heraus zur Folie eines
Jedermannsgeschmacks werden könnte. Ihr Vorzug ist
das wechselnde Gesicht unter charakterloser Maske.
Auch heute gilt noch, daß nichts beständiger ist als
der Wandel der Dinge und daß das Quecksilberchen
Mode, das früher nur im Kostüm ungestümer prickelte,
heute alles packt was beweglich ist. Die Umzugs-
termine mahnen uns an das Perpetuum mobile der
fahrenden Habe, die handlich, rundlich und damit un-
architektonischer sein sollte. otto schulze-elberfeld.

ARCHITEKTEN STREIFE & SCHINDLER-ZÜRICH. BIBLIOTHEK- UND MUSIKRAUM. AUSFÜHRUNG: H. HÄRTUNG—ZÜRICH.
 
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