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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Conze, Alexander: Der betende Knabe in den Königlichen Museen zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0026

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12

Conze, Der betende Knabe.

Bei Gelegenheit einer der vielen Erkundigungen, die ich um des betenden
Knaben willen eingezogen habe, machte Benndorf auf das Innenbild einer Trink-

schale im britischen Museum32 aufmerksam,
welches einen Jüngling im Gebet vor einem
Altare darstellt. Es ist beistehend im Mafs-
stabe von 2/3 abgebildet. Der Jüngling trägt
weder Ivranz noch Binde und widerlegt so,
wenn es noch nöthig sein sollte, Böttichers
Meinung33, dafs der Mangel dieser Abzeichen
bei einem Betenden überhaupt auffallend sei.
Er betet aber mit vorgestreckter Fläche der
rechten Hand allein. Es ist bei den Be-
sprechungen des Gestus des betenden Knaben,
wie auch sonst bei antiquarischen Auseinan-
dersetzungen tiber die Gebetsbewegungen bei
den Griechen nicht immer scharf genug
betont, dafs diese Handbewegung die namentlich aus Hunderten von Votivreliefs
bezeugte gewöhnliche rituelle Betbewegung bei den Griechen war, veranlafst wohl
durch ein Götterbild, dem man gegenübertrat, das Erheben der Hände zum
Himmel aber, fiir welches Schriftstellerzeugnisse nicht mangeln34, in den Kunst-
werken selten erscheint.

Es würde sich vielleicht lohnen den Gestus der erhobenen beiden Hände
mit vollständiger Sammlung der iiberlieferten Beispiele, ähnlich wie namentlich
Stephani dergleichen Zusammenstellungen geliefert hat, nach seinen verschiedenen
Bedeutungen zu erläutern. Hier kann das nicht unternommen werden.

Auf eine besonders unzweideutige Darstellung des betenden Erhebens bei-
der Hände zum Himmel machen unsere Kollegen am Münz-
kabinet aufmerksam. Sie findet sich, mit der Umschrift bald Provi-
dentia Deorum bald Providentiae Deoruni, auf dem Revers von
Kupfermünzen des Pertinax; eine weibliche Gestalt streckt die
Hände zurSonne, die oben dargestellt ist, empor, wie nebenstehend
nach einem Exemplare des königlichen Kabinets35 abgebildet ist.

Zum Schlusse treten wir noch an die Frage der Entstehungszeit der Berliner
Statue heran. Ich lasse dabei die Versuche sie in die Zeit vor Alexander zurück
zu versetzen bei Seite; überwiegend hat sich das Urtheil dahin gewendet den Ein-
flufs lysippischer Kunstweise in ihr zu erkennen; dieser Einflufs reicht aber sehr
weit. Durch den Plinianischen Ausspruch cessavit deinde ars, den ich am liebsten

32) Catalogue I, n. 984.

33) Arch. Anz. 1858, S. 173*.

34) Lasaulx Studien des klass. Alterthums S. 153 t.
Dafs beide Bewegungen neben einander her-
gingen, hat Chr. Scherer in einer kürzlich er-

schienenen Dissertation (Dc Olympionicariim sta-
tuis. Gottingae 1885. p- 33) gestreift.

35) Cohen III2, S. 395, n. 51 (doch ohne die
Buchstaben S. C.) = Eckhel D. N. VII, S. 144.
 
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