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Justi, Karl
Das Marburger Schloß: Baugeschichte einer deutschen Burg — Marburg-Lahn, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.41372#0077
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5. Kapitel.

Das 16. Jahrhundert. (Modell VIII).
Die zweite Ausmalung der Kapelle 1527. / Die Burg z. Zt. des Landgrafen Philipp 1521/23. / Der Laufsteg vom
Gemach des Landgrafen zur Kapelle 1564. / Die 5. Bauperiode. / Geschichtliches. / Der Baumeister Ebert Bald-
wein / Abschrägung des Burghofes; Beseitigung des Altans am Saalbau. Der Umbau des Treppenturms 1567. /
Der neue Zugang zu dem Arbeitszimmer des Landgrafen. / Der grüne Gang. / - Das neue Kapellendach 1568,
die Glocken, die Uhren; die Emporen 1578. / Die erste Galerie zum Wilhelmsbau. / Die Küche, die Buttelei,
der Neubau des obersten Geschosses, der Treppenturm 1567. / Der Saalbau. / Der Neubau des großen Mar-
stalls 1575. / Das Zeughaus. / Der Torweg. / Der Ausbau des Palas, das Archivgewölbe im Untergeschoß, die
Erhöhung im Obergeschoß / Die Rentkammer 1572. / Arbeiten im Frauenhause. / Der Hexenturm, bürgerliches
Gefängnis. / Das neue Backhaus. / Die Wirtschaftsgebäude im Nordzwinger 1588/91. / Der Bleigarten. / Die
Hundeställe. / Die Schmiede, der Schmittsgarten. / Die große Schloßtreppe 1583. / Die Westpforte. / Des Spa-
zius Gemach. / Die Baumaterialien. / Die Heizungen. / Aborte und Kanalisation. / Das Unwetter 1597. / Die
Wasserversorgung: Die neuen Anschlüsse der Küchenleitung, die Wasserkunst am Grüner Wehr 1572 (Magnus
Hibeler), 1583 (Curt Senger), der Wasserturm im Hain 1589/90, der Renaissancekumpf im Vorhof 1576/77, der
tiefe Brunnen. / Der Hain: Der Lustgarten, der Turnierplatz, das Judicierhaus, das Gießhaus, der Weingarten,
der Tiergarten.

Die zweite Ausmalung der Kapelle.
Das 16. Jahrhundert brachte eine polychrome Ausmalung
der Kapelle auf dem Grunde der ursprünglichen rosaroten La-
sur mit ihren weißen Netzwerken. K. Schäfer konnte aus den
Jahreszahlen der vielen eingekratzten Besuchernamen die Zeit
zwischen 1520 und 1527 setzen. Wenn wir in der Geschichte
nach einem Anlaß für die Wiederherstellung der Kapellen-
ausmalung suchen, so fällt in diese Zeit die Berufung des Ful-
daer M. Adam Krafft, den L. Philipp im Jahre 1525 in Hers-
feld hatte predigen hören, seine Bestallung als Hofprediger
nach Kassel. Im folgenden Jahre wurde Krafft Superintendent
über die Marburgische Kirchendiözese und 1527 Professor der
Theologie zu Marburg. Er ist einer der hervorragendsten
Köpfe der hessischen Reformationsgeschichte. Es ist sehr
wahrscheinlich, daß der Landgraf ihn bei seinen Besuchen in
Marburg in der Schloßkapelle hat predigen lassen. J)
v. Dehn-Rotfelser fand 1862 die Färbung der Gliederungen
fast überall wohl erkennbar und von den Malereien auf den
Gewölbekappen deutliche Spuren; er hat auf einer farbigen
Tafel IV und in zwei Zeichnungen (S. 7 und T. III) seinen
Befund der Nachwelt überliefert. O. Kienzle hat nach seinem
Gutachten vom 4. 12. 1929 diese Polychromie unter dem An-
strich der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts nicht mehr
vorgefunden. Die Wandflächen hatten eine helle rötlich-
braune, der Grund der Gewölbekappen eine gebrochen weiße
Tönung. Die bisher weißen Gliederungen erhielten eine bunte
Bemalung: Dienste, Rippen und Gewände wurden grau ge-
strichen mit braunroten und weißen Abfassungen, die Keh-
len der Gurtbogen und ihre Kapitäle durch ein tiefes Blau
hervorgehoben. An den Dienstkapitälen behielt man die alten
Farben bei, das gelbe Blattwerk wurde vergoldet. An den
Gewänden der Sakristeipforte waren die Birnstäbe gelb, die
beiden Kehlen rot, die Begleitfläche der inneren Kehle weiß,
während die äußere Kehle von einem grauen und einem
roten Streifen umrahmt war. In den Gewölbescheiteln und
an den Graten wurden auf einem dünnen Lehmputz Strahlen-
bündel, auf den Kappen Sonnen- und Pflanzenornamente an-
gebracht, wie sie bei v. Dehn-Rotfelser (T. III) und auf der
Zeichnung von Ferdinand Justi (1852) zu sehen sind. Reste

der Arabesken sind bei der letzten Wiederherstellung (1930)
im Querhaus wieder sichtbar geworden. Uber die Pflanzen-
formen sagt v. Dehn-Rotfelser: „Sie sind in kecker, schwung-
voller Zeichnung einheimischen Gewächsen nachgebildet, auf
jeder Fläche abwechselnd Eichenlaub, Distel, Weinrebe, Lilie
usw. und sehr charakteristisch dargestellt.“ Karl Schnaase
äußerte 1862 in den „Wiener Mitteilungen“ über diese Ma-
lerei: „Sie ist in milden und doch sehr bezeichnenden Farben
ausgeführt und unter allen mir bekannten Beispielen solcher
Dekoration das Nachahmenswerteste.“ Uber die weite Ver-
breitung der Pflanzenornamente unterrichtet der im Anhang
wiedergegebene Aufsatz von Carl Justi über Restaurations-
barbarei.
Die Alfrescogemälde des Johann von der Leyten. Einen
besonderen künstlerischen Schmuck, der sich glücklicher-
weise zum großen Teil in unsere Zeiten hinüb er gerettet hat,
erhielten die Seitennischen. Man teilte die vier 2,3 m hohen
Flächen unter dem Kaffgesimse in 2 Schichten ein. Die untere
wurde in schwarz und gelb mit einem Teppich bemalt, der
mit Granatapfelmustern verziert und mit Fransen in weiß,
rot und grün versehen ist. Die Fransen greifen auf die
Frontwände über (T. 178, Abb. 4).
Die oberen Schichten tragen je ein Gemälde in Querformat.
Über dem Kaffgesimse brachte man größere Gemälde in Hoch-
format mit Unterschriften und darüber in Kapitälhöhe Wap-
penpaare an, die zu Schäfers Zeiten zum größeren Teil noch
vorhanden waren, jetzt aber nur noch in der Nordnische in
Spuren erkennbar sind. Das darüber ansetzende Ranken-
werk umrahmt je einen Engel mit Spruchband. In der Nord-
nische sind an der Westwand die unteren Hälften der Schilde
erhalten, links mit dem bayrischen Wappen, rechts mit dem
polnischen Adler, und als Unterschrift in Rahmen „(B)aigem'‘
und „Polen“, wobei die Anfangsbuchstaben rot, die anderen
schwarz gemalt sind. An der Östwand sind nur die rot ge-
malten Rahmen geblieben; auch der obere Teil der darunter
befindlichen Anna Selbdritt ist verloren gegangen, wahrschein-
lich durch die Feuchtigkeit, die aus der für das Sakristeidach
geschlagenen Nische eindringen mußte (S. 26, Abb. 13).
In der nördlichen Nische sind dargestellt:
1. Im Querformat a) östlich (T. 179, Abb. 4): Anna

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