350
Sakrißei: Verschwundene Kunßwerke
einzelne, nicht alle, Röcke ßnd grün oder gelbbraun; die Mäntel ßnd außen immer
ohne Farbe, ihre Innen- (Futter-) feiten dagegen allermeiß farbig. Der Fußboden iß grün.
Auch diefe Figuren beßätigen die Wahrnehmung, daß beßimmte Werkßoffe be-
ßimmte Stilüberlieferungen feßhalten, auch über ihre Zeit hinaus. Man wird nicht
verkennen, daß die untersten Proportionen, die bürgerlichen Köpfe, das mafßge,
fchwere Gewand mit den fcharfen Brüchen überall, daß das alles nicht geßattet, die
Figuren vor 1450 entßanden zu denken. Dennoch lebt in ihnen der Stil des Frank-
furter Alabaßeraltars und der mit ihm verwandten Werke*) in einer ganzen Reihe
von Zügen weiter fort. Man vergleiche den Kopf des Johannes mit den Köpfen der
drei Frauen unter dem Kreuz im Frankfurter Altar oder mit dem Kopf des Apoßels
Matthias (mit dem Beil) in Frankfurt und achte dabei auf den Schnitt des vollen Ge-
ßchts, die zu hoch und zu weit vorn ßßenden Ohren, die Stilißerung des Haares. Diefe
bietet auch fonß Vergleichbares: man ßelle den Bartholomäus in Mainz neben den
zweiten unbärtigen Apoßel in Frankfurt, der die Hand mit dem ausgeßreckten Zeige-
finger auf die Bruß legt. Ferner vergleiche man die flache Behandlung der Rücken
hier und an den Frauen in Breslau, den Meßergriff des Bartholomäus hier und in
Frankfurt, die eingeßochenen Zickzacklinien, die zur Belebung des Fußbodens dienen,
hier und überall innerhalb der erwähnten Gruppe von Alabaßerwerken: man wird
finden, daß diefe Übereinßimmungen doch am einfachßen alsWerkßattüberlieferungen
zu erklären ßnd, die unfere Apoßel — in einem erheblichen Abßand — mit jenen
Arbeiten verbinden. Wo ße entßanden fein können, bleibt noch eine offene Frage.
Muttergottes mit dem Jefuskind. Gute Arbeit aus der Barockzeit, etwa
um 1700 entßanden. Die Figur iß aus Holz und 1,30 m hoch. Die Muttergottes ßeht
auf der Weltkugel. An Stelle von Schlange, Apfel und Mondßchel ßnd hier drei
Cherubim als Schmuck getreten. Gewandung und Weltkugel ßnd vergoldet, die
Fleißfiteile leicht getönt. Das mit befonderer Sorgfalt gearbeitete und den beßen
Teil der ganzen Figur bildende Gewand legt ßch mit feiner Faltengebung in leb-
haftem Fluffe eng um den Körper der Muttergottes. Woher die Figur ßammt, war
nicht zu ermitteln; in der fein gefältelten Gewandbehandlung fällt ße etwas aus
dem Kreife der Arbeiten, die wir fonß aus diefer Zeit in Mainz finden.
VERSCHWUNDENE KUNSTWERKE
Auch die Sakrißei war einß viel reicher ausgeßattet als ße es heute iß. Unter den
mancherlei Bildern, die hier die Wände fchmückten, waren zwei, die eine gewiffe
Berühmtheit genoffen, ein heiliger Martinus und eine heilige Urfula, auf Holztafeln
gemalt, 4*^ Fuß hoch, 2*/g Fuß breit. Schaab (I S. 563f.) befchreibt die Bilder flüchtig
und gibt Nachricht von ihren weiteren Schickfalen.2) Eine genauere Würdigung
findet ßch in E. Flechßgs Cranachßudien (I. 1900. S. 162 ff.). Der Martinus foll ein
Bildnis des Kardinals Albrecht, die Urfula ein Bildnis der Redingerin gewefen fein,
die zu Albrechts Zeiten eine gewiffe Rolle fpielteA)
Wenigßens eine blaffe Vorßellung von dem Bilde der heiligen Urfula gibt uns eine
Zeichnung Bodmanns in der Stadtbibliothek (im Konvolut Bodmann 111 S. 17 ff.) mit
i) Vgl. Die Rheinlande XIV. 1914. S. 379ff., Kunftchronik 25. 1914. Sp. 461 und Kaußßdi,
Die Alabaftergruppe der trauernden Frauen im Schleßßhen Mufeum für Kunftgewerbe und
Altertümer. Schießens Vorzeit VII. 1916. S. 176.
'-) Dazu iß ein Brief Bodmanns zu vergleichen, den (im Original) die Stadtbibliothek zu
Mainz beßßt. Es geht aus ihm hervor, daß Bodmann es war, der die Bilder aus dem ver-
wüßeten Dom rettete. Sie befanden ßch dann 1819 in Privatbeßh in Frankfurt und wurden
1820 dort verßeigert. Heute Rheinen ße verschollen.
s) Vgl. Redlich, Kardinal Albrecht. Mainz 1900. S. 293, 295.
Sakrißei: Verschwundene Kunßwerke
einzelne, nicht alle, Röcke ßnd grün oder gelbbraun; die Mäntel ßnd außen immer
ohne Farbe, ihre Innen- (Futter-) feiten dagegen allermeiß farbig. Der Fußboden iß grün.
Auch diefe Figuren beßätigen die Wahrnehmung, daß beßimmte Werkßoffe be-
ßimmte Stilüberlieferungen feßhalten, auch über ihre Zeit hinaus. Man wird nicht
verkennen, daß die untersten Proportionen, die bürgerlichen Köpfe, das mafßge,
fchwere Gewand mit den fcharfen Brüchen überall, daß das alles nicht geßattet, die
Figuren vor 1450 entßanden zu denken. Dennoch lebt in ihnen der Stil des Frank-
furter Alabaßeraltars und der mit ihm verwandten Werke*) in einer ganzen Reihe
von Zügen weiter fort. Man vergleiche den Kopf des Johannes mit den Köpfen der
drei Frauen unter dem Kreuz im Frankfurter Altar oder mit dem Kopf des Apoßels
Matthias (mit dem Beil) in Frankfurt und achte dabei auf den Schnitt des vollen Ge-
ßchts, die zu hoch und zu weit vorn ßßenden Ohren, die Stilißerung des Haares. Diefe
bietet auch fonß Vergleichbares: man ßelle den Bartholomäus in Mainz neben den
zweiten unbärtigen Apoßel in Frankfurt, der die Hand mit dem ausgeßreckten Zeige-
finger auf die Bruß legt. Ferner vergleiche man die flache Behandlung der Rücken
hier und an den Frauen in Breslau, den Meßergriff des Bartholomäus hier und in
Frankfurt, die eingeßochenen Zickzacklinien, die zur Belebung des Fußbodens dienen,
hier und überall innerhalb der erwähnten Gruppe von Alabaßerwerken: man wird
finden, daß diefe Übereinßimmungen doch am einfachßen alsWerkßattüberlieferungen
zu erklären ßnd, die unfere Apoßel — in einem erheblichen Abßand — mit jenen
Arbeiten verbinden. Wo ße entßanden fein können, bleibt noch eine offene Frage.
Muttergottes mit dem Jefuskind. Gute Arbeit aus der Barockzeit, etwa
um 1700 entßanden. Die Figur iß aus Holz und 1,30 m hoch. Die Muttergottes ßeht
auf der Weltkugel. An Stelle von Schlange, Apfel und Mondßchel ßnd hier drei
Cherubim als Schmuck getreten. Gewandung und Weltkugel ßnd vergoldet, die
Fleißfiteile leicht getönt. Das mit befonderer Sorgfalt gearbeitete und den beßen
Teil der ganzen Figur bildende Gewand legt ßch mit feiner Faltengebung in leb-
haftem Fluffe eng um den Körper der Muttergottes. Woher die Figur ßammt, war
nicht zu ermitteln; in der fein gefältelten Gewandbehandlung fällt ße etwas aus
dem Kreife der Arbeiten, die wir fonß aus diefer Zeit in Mainz finden.
VERSCHWUNDENE KUNSTWERKE
Auch die Sakrißei war einß viel reicher ausgeßattet als ße es heute iß. Unter den
mancherlei Bildern, die hier die Wände fchmückten, waren zwei, die eine gewiffe
Berühmtheit genoffen, ein heiliger Martinus und eine heilige Urfula, auf Holztafeln
gemalt, 4*^ Fuß hoch, 2*/g Fuß breit. Schaab (I S. 563f.) befchreibt die Bilder flüchtig
und gibt Nachricht von ihren weiteren Schickfalen.2) Eine genauere Würdigung
findet ßch in E. Flechßgs Cranachßudien (I. 1900. S. 162 ff.). Der Martinus foll ein
Bildnis des Kardinals Albrecht, die Urfula ein Bildnis der Redingerin gewefen fein,
die zu Albrechts Zeiten eine gewiffe Rolle fpielteA)
Wenigßens eine blaffe Vorßellung von dem Bilde der heiligen Urfula gibt uns eine
Zeichnung Bodmanns in der Stadtbibliothek (im Konvolut Bodmann 111 S. 17 ff.) mit
i) Vgl. Die Rheinlande XIV. 1914. S. 379ff., Kunftchronik 25. 1914. Sp. 461 und Kaußßdi,
Die Alabaftergruppe der trauernden Frauen im Schleßßhen Mufeum für Kunftgewerbe und
Altertümer. Schießens Vorzeit VII. 1916. S. 176.
'-) Dazu iß ein Brief Bodmanns zu vergleichen, den (im Original) die Stadtbibliothek zu
Mainz beßßt. Es geht aus ihm hervor, daß Bodmann es war, der die Bilder aus dem ver-
wüßeten Dom rettete. Sie befanden ßch dann 1819 in Privatbeßh in Frankfurt und wurden
1820 dort verßeigert. Heute Rheinen ße verschollen.
s) Vgl. Redlich, Kardinal Albrecht. Mainz 1900. S. 293, 295.