Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
416

Eigentliche Stiftsgebäude: Paradies

Paradies

1243).*) Die Fortfeßung diefes Baus nach Oßen iß einschiffig, mit einem Tonnenge-
wölbe gedeckt und jünger. Doch iß auch dieser Teil ebenso wie der Querarm, der
unter den Stiftsgebäuden des Oßfiügeis der ganzen Anlage hinläuft, vermutlich älter
als der Neubau des Stifts im 15. Jahrhundert. Wenigßens wird fchon 1364 ein penus
capituli und ein penus claustrale praepositurae erwähnt,2) das beim Haufe zum Kal-
ten Loch lag. Eine genaue Aufnahme der ganzen Keller wäre fehr erwünscht: es iß
denkbar, daß ße allerlei Schlüße auf die Gefchichte der Stiftsgebäude zuließe.
Endlich wäre hier noch von dem Paradies zu Sprechen, dem überdeckten Gang,
der einß den Dom mit der Johanniskirche verband, fpäter verkürzt wurde und Schließ-
lich dem Brand von 1767 zum Opfer fiel. Die erße Anlage diefes Paradieses ßammte
ßcherlich aus fehr früher Zeit; jedenfalls war ße mittelalterlich. In ihm befanden
ßch — wenigßens Späterhin — Krämerßände oder Läden, aus deren Budenzins das
Paradiesamt des Domkapitels Einkünfte bezog. Nicht lange vor 1705 muß in der
Richtung der heutigen Schöfferßraße der Gang durchbrochen worden fein, um eine
bequemere Verbindung zwijchen Höfchen und Leichhof herzußellen.3) Zur Rekon-
ßruktion des Baues ßnd wir angewiefen auf die Stadtaufnahme Maskops (ß Abb. 3
auf S. 9), den Grundriß des Gudenus (Abb. 1 auf S. 4) und auf ein Gemälde von
Franz Schüß,4) das den großen Brand von 1767 darßellt, von Südweßen gefehen,
alfo mit dem Blick auf das Paradies, das ßch hier dem Domchor vorlagert. Das iß
meines Wißens alles; und diefe ungenauen, ungefähren Darßellungen reichen nicht
aus, ein auch nur einigermaßen ßcheres Bild gewinnen zu laßen. Audi hier gilt es
ßch zu bejcheiden, bis einmal der glückliche Fund einer Abbildung oder eine Aus-
grabung an diefer Stelle einen Schritt weiter führt. Über die Häufer, die nach dem
Brand von 1767 an der Stelle des Paradiefes errichtet wurden (vgl. Tafel 77 bei 14
und A7; ferner Schrohe, Ein Gedenktag aus der Gefchichte des Mainzer Domes.
Beilage zum Mainzer Journal 1917 Nr. 115, 116, 117 auf S. 9 ff. des Sonderdruckes),
wird an anderer Stelle in unferem Werke zu Sprechen fein.
DIE DENKMÄLER DES KREUZGANGS UND DER STIFTSGEBÄUDE
Bis zu der großen Domverwüßung des Jahres 1793 iß der Kreuzgang eine einzig-
artige Sammelßätte von Kunßwerken jeder Art gewefen: Bourdons Schilderung füllt 5)
fünfzig Foliofeiten! Blieb das Innere des Domes in der Hauptfache den Denkmälern
Vorbehalten, die das Gedächtnis der Erzbifchöfe und Kurfürßen feierten, war die
Memorie — neben der Nikolauskapelle und den Seitenkapellen des Domes — vor-
nehmlich dem Begräbnis und dem Andenken der Domherren gewidmet, fo wurde der
Kreuzgang in erßer Linie zur Stätte der Ruhe für die Vikare. Freilich ßnd auch noch
zahlreiche Domherren hier beßattet worden; aber im Laufe der Zeit überwogen jene.
Und neben ihnen ließ man fogar einzelne Laien zu, allerdings gewiß nur Perfonen,
denen das Erzßift irgendwie verpflichtet war, alfo höhere oder befonders verdienß-
volle Beamte des Kurfürßen, des Stifts oder des Kapitels, Stifter oder Wohltäter
ufw., denen man eine befondere Ehre erweifen wollte. An welche Vorausfeßungen
eine folche Laienbeßattung im Kreuzgang geknüpft war, vermögen wir nicht zu fagen.
Aufgefallen iß uns nur, daß ßch nicht wenige Grabßeine von Laien im Oßflügel,
befonders gegen Norden vereinigt finden. Leider läßt der heutige Zußand des Kreuz-
*) Die Nachricht von einer Weihe der Stiftsgebäude im Jahre 1243 iß mit guten Gründen
beßritten. Vgl. Schrohe, Mainz in feinen Beziehungen zu den deutfchen Königen etc. Mainz
1915. S. 215. s) pr. Vigener, Mainzer Dompropftei im 14.Jahrh. S. 82f. und Anm. 6.
s) (Hartmann), Aurea Moguntia, Mainz 1705. S. 188 und Schaab I S. 540 f.
ß Im Beßt^ des Herrn Domkapitular Dr. Bendix. ß Im Exemplar der Stadtbibliothek.
 
Annotationen