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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Stern, Fried: Fritz Boehle als Zeichner
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FRITZ BOEHLE

LEINREITER (LITHOGRAPHIE)

FRITZ BOEHLE ALS ZEICHNER

Der Riß, wie die Alten so treffend und er-
schöpfend die Kontur prägten, war ihm
heilig. Boehle zeichnete verantwortlich; was
das heißt, kann nur der in seiner ganzen Größe
und Tiefe ermessen, der den Vorgang dazu,
seinen Sehakt, beobachten, miterleben konnte,
wenn er zeichnete. Und so wollen wir erst
seines so klaren, überaus fein organisierten und
disziplinierten Malerauges gedenken, in das er
alle die schönen, unverzerrten Dinge von „da
»draußen“ einsog: wie er gleichsam mit ihm alles
*' auf Erscheinung, Form, Farbe, Licht und Schat-
ten hin befühlte und abwog und doch alles har-
monisch zusammenfaßte — die feine, kleine
Künstlerhand tat dann als ein gut geübtes und
weise erprobtes Werkzeug das materiell Nötige.
Er zeichnete schon als sehr junger Mann gut,
und zwar gut im Sinne von Gründlichkeit und
Gediegenheit. Schraffierungen, Schattentöne be-
nutzte er nie, um einer verunglückten Zeich-
nung die Mängel „stimmungsvoll“ zu umklei-
den, sie „schön“ und „gefällig“ für des Be-
schauers Auge herauszuputzen.
Er stellte sich ganz frühe schon schwere und
umfangreiche Aufgaben, ging dabei nichts aus
dem Wege! Wie ein echter, bieder-treuer, alter
Kunsthandwerksmeister ging er planvoll zu
Werke. Er hätte auch einen handgearbeiteten
Schrank aus Eichenholz selbst machen können,
denn das lag ihm auch, das rein Handwerk-
liche. Im Kopfe stand es klar, was er machen
wollte, ohne verworrene Umständlichkeiten; das
Wie ergab sich ganz von selbst, ohne Quälen

und Suchen. Er zeichnete, wie wenn man an
eine liebe Person einen Brief schreibt.
Er betrachtete, schaute und begriff erst die
ganze, die große Erscheinung des Darzustellen-
den, mochte es ein Kopf, ein Pferd, oder eine
Landschaft sein. Sah in späteren Jahren für
einen Zeichner wohl ein bißchen zu stark und
„vorgefaßt-plastisch“ im Gegensatz zu der geist-
reichen, leichten und fast spielenden Art eines
Slevogt. Die Zeichnung war seine Grundlage,
das Gerippe und Gerüst, auch für seine Ge-
mälde.
Erst mußte er gründlich aufreißen, und wenn
es noch so sehr in ihm spukte und rumorte und
nach Farben schrie (denn das tat es zuweilen
auch; ich habe davon Stunden mitgemacht), er
blieb der verantwortliche, unbeugsame Kunst-
handwerksmeister. Sonnen- und Lichtspiele,
Schnee- und Nebelstimmungen konnten ihn
nicht aus dem Konzept bringen, ihn nicht ver-
führen, mit ihnen „malerisch“ etwas auszu-
drücken.
In seinem Hirn war keine Unordnung, am
allerwenigsten die sogenannte genialisch ver-
worrene Unordentlichkeit. Er war ein sonntäg-
lich aufgeräumter Kopf, mit „blanken Dielen“
und schönem „frischen Sand“ darauf — kein
gehöhnter, glatter Parkettboden ; mit seinen Ge-
danken darin ist er daher auch nie ausgerutscht;
auch nicht beim Arbeiten, weil es das natür-
lichste Bilden und Arbeiten von der Welt war.
Büsche und Sträucher, Gräser und Steine, Wäl-
der und Berge, Seen und Flüsse können auch
 
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