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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Stern, Fried: Fritz Boehle als Zeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0031

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nicht anders geworden und gewachsen sein wie
nur auf die eine, ungeschminkte und so wahre,
frische, stetige planvolle Art und Weise.
Flüchtigkeit und Eile kannte Boehle nicht.
Er war ein rechter „Bremser“, ließ langsam,
verhaltend die Fülle der aufgespeicherten Ge-
sichte entstehen, war direkt altmodisch-beschau-
lich. Modern hastenden Menschen wäre schon
allein das Boehlesche Verweilen „vor den Din-
gen“ langweilig vorgekommen, es hätte sie zur
Verzweiflung gebracht. So z. B. konnte er stun-
denlang Tiere beobachten; im Zoologischen:
Hirsch und Eber, Löwe und Panther; dabei ar-
beitete aber Hirn und Auge intensiv, ihm wurde
es nie langweilig dabei, sein Auge rollte gewis-
sermaßen um das Tier herum — er sah nicht
nur Tierprofile; sein Blick drang durch, denn
außerordentlich gründliche anatomische Kennt-
nisse befähigten ihn dazu; nahm Knochen und
dahinter und tiefer liegende Muskeln, Über-
gänge und Bewegungen wahr, wovon der „nur“
Betrachtende weder eine leise Ahnung hat, noch
annähernd das freudvolle Entzücktsein solchen
Sehens zu begreifen vermag. Ein ganz armes
Bübchen, dem sonst nie die Sonne Licht und
Freude gab, und das zum heiligen Abend unter

seinem ersten, lichterprangenden Christbäum-
chen Pferdchen und Wägelchen findet und zag-
haft hervorholt, kann nicht seliger und glück-
lich-taumliger sein, als es der reife Mann und
Künstler Fritz Boehle gewesen ist, wenn er
Pferde (seine Pferde) — die großen, schweren,
stämmigen Rosse, wie sie in den schönen Jah-
ren des Friedens vor den Bierbrauerwagen her-
klepperten — erblickte.
Ich werde nie vergessen, wie vor Entzücken
und höchster innerlicher Begeisterung seine
blauen Kinderaugen groß und trunken schauten
und schauten und sich nicht satt trinken konn-
ten — in Dillenburg war es, bei Vorführung der
herrlichen Hengste des dortigen preußischen Ge-
stütes . Da war er herzbebend gerührt,
wie ein echter Bub, der noch nicht verpfuscht
und vollbepackt ist mit Aufgaben für die Schule
und den so gar künstlich sittsamen sonstigen
Dingelchen all.
Boehles sachgemäß Ordentliche beim Zeich-
nen war in erster Linie bedingt durch seinSehen.
Er sah nach dem Gesetz. Was wir künstlerisch und
literarisch-schöngeistig alles in und um die Dinge
sehen und gedanklich noch mit hineingeheim-
r.issen, schied bei Boehle als Zeichner von vorn-


FRITZ BOEHLE

FLUSSLANDSCHAFT MIT LEINREITER UND WINDMÜHLE (RADIERUNG)

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