Überbetonung der farbigen Mittel gebracht, die
nur ein Anfang feinerer künstlerischer Kultur
sein kann. Gerade die deutsche Kunst wird
immer wieder ihre stärkste Empfindung nur
dann gewinnen, wenn das Mittel des Ausdrucks
wieder gewissermaßen erstirbt, um das Leben
des Seelischen aus sich zu entlassen. Es ent-
steht jene neue sozusagen raumlose Kunst,
jene Kunst der Fläche und eines neuen dyna-
mischen Ornaments, das aus innerer Bewegung
gespeist, jeden absichtlichen äußeren Halt und
Zwang sprengt. Das ganze Bild wird zu einem
neuen sieghaften Ornament, wie in der „Auf-
erstehung“ (Abb. S. 157), die zugleich ein
Triumph der Naturüberwindung ist.
Es ist das Zeugnis eines starken Künstler-
tums, wenn kein Element zu einer ausschließ-
lichen Ausbildung kommt, wenn vor allem
auch der Wille zum geistigen Ausdruck das
naturhafte Fundament immer weniger ent-
behren will und kann. Es war stets die Ge-
fahr der neuen deutschen Kunst, Naturpoesien
und Idyllen der Phantasie selbst bis zu einer
fabelhaften Gemütswelt in der Art Böcklins
auszugestalten und dabei den Boden der eigent-
lichen Form und Aufgabe zu verlieren. Diese
Empfindung jugendvoller Naturbeseelung, die
auch Caspar in seinen früheren Werken ge-
staltet, aber immer durch eine herbe Natur-
nähe gebunden hat, verlor ihren Kern und
Charakter und wurde ein überflüssiges Spiel,
als man eine eigene deutsche Kunst aus ihr
machen wollte. Die wahre Poesie liegt nicht
in einer gemachten mythologischen Natur-
beseelung, sondern in der immer stärkeren
Naturlyrik, die wie bei den alten gotischen
Meistern immer selbständiger wird und dadurch
das Bild von der bloßen Stimmung immer
mehr befreit. Dadurch entstand die blühende
Erdenwirklichkeit der alten religiösen Kunst.
Auf diesem Wege ist Caspar in seinen neuesten
Bildern wie in dem Gang der „Drei Marien“
zum Grabe am Ostermorgen (Abb. S. 159).
Dadurch entsteht auch die reine volle Pracht
der Farbe, die der Künstler so stark in seinen
Visionen des „Johannes auf Patmos“ (Abb.
geg. S. 149) erreicht hat, jene vulkanische Be-
wegung des Himmels und der Erde, die in
einer monumentalen Fläche zu einem unge-
heuren Verstummen kommt.
Auch das Porträt wird von dieser neuen
Schönheit gesättigt. Es ist nicht das alte
gesellschaftliche Repräsentationsbild, es ist auch
nicht der einseitig bohrende psychologische
Wille, der Bildnissen der neuen Richtung oft
einen bornierten Ausdruck gibt. Es ist nicht
das Porträt um des Porträts willen, das durch
seine Absicht die Form der reinen Erscheinung
stört. Es ist eine organische Empfindung,
die durch die Verinnerung wächst und zu
einem fast teppichartigen Gewebe von stoff-
lichen und farbigen Elementen wird, die je
mehr sie zu Eigenleben kommen, um so mehr
auch der Gestalt ein in sich ruhendes Leben
verleihen (Abb. S. 155 u. 160).
Es bleibt übrig, ein Wort über die geistige
und religiöse Bedeutung der Kunst Caspars
in der Gegenwart zu sagen. Die Gegenüber-
stellung zu Uhde — um die Künstler im engen
konfessionellen und pietistischen Rahmen zu
übergehen, da sie nicht in die ganze Wirk-
lichkeit der Zeitform hineinreichen — und die
Anknüpfung an die alte deutsche Kunst zeigen,
daß sich hier ein gewaltiger Fortschritt, eine
ganze Umbildung vollzogen hat. Während in
den letzten Jahrzehnten und heute erst recht
in Deutschland vielfach von einer religiösen
Erneuerung gesprochen und diese aus der
sozialen oder allgemein sittlichen Stimmungs-
bereitschaft erhofft wurde, die aber wesentlich
leere Stimmung blieb, ist hier in engster
Fühlung mit dem fortschrittlichen Zeitempfin-
den, mit der Befreiung des Bildes aus der
bloßen Stimmung, das starke und reine Form-
gefühl einer neuen religiösen Kunst entstan-
den. Der Zwang zur Zeitform gegenüber einer
weichlichen Idealistik, das unerschütterliche
Beharren in der erkannten Aufgabe hat sie
entstehen lassen. In Caspars Kunst — und
das ist ihr wesentlichstes — ist das, was Georg
Simmel in Rembrandts Kunst als dem Ende
und Gegensatz der mittelalterlichen Formwelt
trotz ihrer „Gläubigkeit“ nicht mehr findet,
wieder neu entstanden, der starke „Glaube“ im
Kampf um den Sinn der Zeit und ihres
Schicksals. Konrad Weiß
164
nur ein Anfang feinerer künstlerischer Kultur
sein kann. Gerade die deutsche Kunst wird
immer wieder ihre stärkste Empfindung nur
dann gewinnen, wenn das Mittel des Ausdrucks
wieder gewissermaßen erstirbt, um das Leben
des Seelischen aus sich zu entlassen. Es ent-
steht jene neue sozusagen raumlose Kunst,
jene Kunst der Fläche und eines neuen dyna-
mischen Ornaments, das aus innerer Bewegung
gespeist, jeden absichtlichen äußeren Halt und
Zwang sprengt. Das ganze Bild wird zu einem
neuen sieghaften Ornament, wie in der „Auf-
erstehung“ (Abb. S. 157), die zugleich ein
Triumph der Naturüberwindung ist.
Es ist das Zeugnis eines starken Künstler-
tums, wenn kein Element zu einer ausschließ-
lichen Ausbildung kommt, wenn vor allem
auch der Wille zum geistigen Ausdruck das
naturhafte Fundament immer weniger ent-
behren will und kann. Es war stets die Ge-
fahr der neuen deutschen Kunst, Naturpoesien
und Idyllen der Phantasie selbst bis zu einer
fabelhaften Gemütswelt in der Art Böcklins
auszugestalten und dabei den Boden der eigent-
lichen Form und Aufgabe zu verlieren. Diese
Empfindung jugendvoller Naturbeseelung, die
auch Caspar in seinen früheren Werken ge-
staltet, aber immer durch eine herbe Natur-
nähe gebunden hat, verlor ihren Kern und
Charakter und wurde ein überflüssiges Spiel,
als man eine eigene deutsche Kunst aus ihr
machen wollte. Die wahre Poesie liegt nicht
in einer gemachten mythologischen Natur-
beseelung, sondern in der immer stärkeren
Naturlyrik, die wie bei den alten gotischen
Meistern immer selbständiger wird und dadurch
das Bild von der bloßen Stimmung immer
mehr befreit. Dadurch entstand die blühende
Erdenwirklichkeit der alten religiösen Kunst.
Auf diesem Wege ist Caspar in seinen neuesten
Bildern wie in dem Gang der „Drei Marien“
zum Grabe am Ostermorgen (Abb. S. 159).
Dadurch entsteht auch die reine volle Pracht
der Farbe, die der Künstler so stark in seinen
Visionen des „Johannes auf Patmos“ (Abb.
geg. S. 149) erreicht hat, jene vulkanische Be-
wegung des Himmels und der Erde, die in
einer monumentalen Fläche zu einem unge-
heuren Verstummen kommt.
Auch das Porträt wird von dieser neuen
Schönheit gesättigt. Es ist nicht das alte
gesellschaftliche Repräsentationsbild, es ist auch
nicht der einseitig bohrende psychologische
Wille, der Bildnissen der neuen Richtung oft
einen bornierten Ausdruck gibt. Es ist nicht
das Porträt um des Porträts willen, das durch
seine Absicht die Form der reinen Erscheinung
stört. Es ist eine organische Empfindung,
die durch die Verinnerung wächst und zu
einem fast teppichartigen Gewebe von stoff-
lichen und farbigen Elementen wird, die je
mehr sie zu Eigenleben kommen, um so mehr
auch der Gestalt ein in sich ruhendes Leben
verleihen (Abb. S. 155 u. 160).
Es bleibt übrig, ein Wort über die geistige
und religiöse Bedeutung der Kunst Caspars
in der Gegenwart zu sagen. Die Gegenüber-
stellung zu Uhde — um die Künstler im engen
konfessionellen und pietistischen Rahmen zu
übergehen, da sie nicht in die ganze Wirk-
lichkeit der Zeitform hineinreichen — und die
Anknüpfung an die alte deutsche Kunst zeigen,
daß sich hier ein gewaltiger Fortschritt, eine
ganze Umbildung vollzogen hat. Während in
den letzten Jahrzehnten und heute erst recht
in Deutschland vielfach von einer religiösen
Erneuerung gesprochen und diese aus der
sozialen oder allgemein sittlichen Stimmungs-
bereitschaft erhofft wurde, die aber wesentlich
leere Stimmung blieb, ist hier in engster
Fühlung mit dem fortschrittlichen Zeitempfin-
den, mit der Befreiung des Bildes aus der
bloßen Stimmung, das starke und reine Form-
gefühl einer neuen religiösen Kunst entstan-
den. Der Zwang zur Zeitform gegenüber einer
weichlichen Idealistik, das unerschütterliche
Beharren in der erkannten Aufgabe hat sie
entstehen lassen. In Caspars Kunst — und
das ist ihr wesentlichstes — ist das, was Georg
Simmel in Rembrandts Kunst als dem Ende
und Gegensatz der mittelalterlichen Formwelt
trotz ihrer „Gläubigkeit“ nicht mehr findet,
wieder neu entstanden, der starke „Glaube“ im
Kampf um den Sinn der Zeit und ihres
Schicksals. Konrad Weiß
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