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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Neumann, Carl: Rembrandt und die Monumentalmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0217

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REMBRANDT UND DIE MONUMENTALMALEREI

Als Hodlers für die Universität in Jena ge-
maltes Bild: Die Erhebung von 1813, in
der Berliner Secession ausgestellt, einer weiteren
Öffentlichkeit bekannt wurde, sagte einer der
führenden Maler jener Zeit zu mir: „Wir können
einpacken, die neue Kunst ist jetzt da!“
Naturalismus und Impressionismus sind der
monumentalen Historie gleichmäßig ungünstig
und feindselig gewesen. Der eine durch die
zum Kleinlichen verführende Formenwiedergabe
der Natur und durch die gewollte Beschränkung
auf das modellmäßig Gesehene, wodurch sich
jeder Aufflug in den Bereich der Phantasie ver-
bot ; der andere, der Impressionismus, durch sein
formales Vorurteil, daß die Kunst erst anfange,
wo alles Gegenständliche und Inhaltliche über-
wunden sei. Die Historie aber als auf ein sach-
lich Bedeutendes, Denkmalmäßiges gerichtet, ist
nicht dasselbe, was ein Teppich mit noch so
schöner Farbenfleckenwirkung ist. Die Historie
also, geächtet, als minderwertig, weil literarisch
belastet, in die Enge getrieben, wurde altfrän-
kisch und den zu ihrem Dienst verdammten
Akademieprofessoren überlassen, die ihr mit
Rücksicht auf amtliche Aufträge ein irgendwie
modern überschminktes Opportunitätsdasein
fristeten.
Diesen Bann gebrochen zu haben, ist ein
V erdienst des letzten Architektur auf sch wungs.
Die großen einfachen Linien einer monumental
gesinnten Architektur brachten auch die Schön-
heit großer Flächen wieder, und diese Flächen
verlangten eine großgestaltende Malerei. Fügt
man hinzu, daß eine große Form nicht ohne
als bedeutsam erlebten Inhalt entsteht, so blei-
ben wir fragend vor dem zuvor genannten Werk
Hodlers stehen, ob es in diesem Sinn wirklich
die „neue Kunst“ sei. Das Bild enthält eine
marschierende Truppe, und in einem Fries-
streifen größeren Formats darunter einzelne
Figuren, die ihren Rock anziehen, in den Steig-
bügel steigen, kurzum eine Bewegung ausdrük-
ken, mit demselben rein formalen Motiv wie in
der Antike eine Figur mit „aufgestütztem Fuß“
oder „die Fibel an der Schulter befestigend“.
Aus einer Summe von Genremotiven ist noch
nie eine monumentale Historie geworden. Hier-
zu bedarf es einer Leidenschaft und vereinheit-
lichenden Kraft, die das Werk von innen zu-
sammenschweißt und sich die nebeneinander
gereihten Einzelmotive dienstbar macht.
Niemand kann erwarten, daß sich nach der
jahrzehntelangen Herrschaft von Naturalismus
und Impressionismus eine Monumentalmalerei

über Nacht auf die Füße stelle. Alles Werdende
sucht — zugegebenermaßen oder nicht — An-
lehnung an irgendeine Vergangenheit, die ihm
als Eideshelfer und Rechtfertigung dienen soll.
Die junge Kunst hat die Anfänge aller Kunst,
sie hat weiter Ägyptisches, Romanisches usf.
zu Hilfe gerufen. Insofern steckt darin die rich-
tige Witterung, als es sich etwa im romani-
schen Stil nicht um Stilisierung und Verein-
fachung einer überlieferten naturalistischen
Kunst, sondern um einen natürlichen Stil der
Gebundenheit und des architektonischen Zwanges
handelt. Das berühmte Relief der Externsteine
bei Detmold hat eine feierliche Monumentalität.
Sollte nun wirklich zwischen dem 12. Jahr-
hundert und der Gegenwart keine nähere An-
knüpfungsmöglichkeit liegen? Der romanische
Stil kann vorübergehend Mode werden; er ist
es schon seit längerer Zeit; zumal Revolutions-
zeiten greifen gern zum Entfernten und zer-
reißen alle Bande mit der näheren Vergangen-
heit. So hat die französische Revolution in der
Kunst Sparta und Rom zu Hilfe gerufen, nur
um dem Rokoko einen unmißverstehbaren Ab-
schied zu geben. Aber Sparta und Rom gingen,
wie sie kamen, und die farbige Romantik eines
Delacroix zog siegend herauf.
Die Fürstenkunst unserer Renaissancezeit hat
ihr Monumentalbedürfnis aus Anleihen bei der
Antike und bei Italien bestritten. Zieht man
die Linie von Rubens bis zu den akademischen
Historienmalern des abgelaufenen Jahrhunderts,
so ist der Fundus, aus dem die Komposition
des Historienbildes bestritten wird: Akt, Alle-
gorie, brüllende Löwen, trompetende Famen,
untermischt mit allerhand Maskengarderobe
farbiger Tracht, eine Unsumme von Gemein-
plätzen und Phraseologien, hinter denen längst
keine lebendige Empfindung, kein Sinn mehr
steckt. Gegen diese rein repräsentative, äußer-
liche, überlebte Bildungskunst hat sich in den
neueren Jahrhunderten nur eineMacht erhoben:
die holländische Malerei. Sie hat ganz neue, an-
baufähige Gebiete größten Umfangs erobert und
einen Strich zwischen alter, renaissancemäßiger
und moderner Kunst gezogen. Indessen war sie
der Hauptsache nach für den Privatgeschmack
tätig; die öffentlichen Aufträge, Schützen- und
Regentenstücke, waren erweiterte Bildnisauf-
gaben, und wer die öffentlichen Gemäldesamm-
lungen auf Holländisches durchgemustert hat,
behält den Eindruck, als gebe es da herrliches
Genre, Bildnis, Landschaft, Stilleben, ergreifende
Historie in kleinem Format, alles, nur keine

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