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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Corwegh, Robert: Walter Klemm
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0310

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WALTER KLEMM
Die Notwendigkeit dieser Entwicklung zum Ex-
pressionismus für Walter Klemm erweisen be-
reits seine früheren Holzschnitte. Die „Kurve
nach dem Osten“ zur japanischen Kunst ist für
Klemm ein Weg, der vom Impressionismus, der
Wirklichkeitskunst, wegführt. Nicht unmittel-
bar vor der Natur zeichnete er Blaumeisen,
Kleiber, Reiher und Hasen seines Vogel- und
Tierbuches, sondern er beobachtete unablässig
die Natur, um die gesehenen Bewegungen und
Stellungen aus dem Gedächtnis niederzuschrei-
ben. Keinen Ausschnitt aus der Natur wählt
sich daher der Künstler zum Motiv, er kompo-
niert vielmehr aus dem durch Anschauung
gewonnenen Material das Bild seiner Vor-
stellung. In diesem herrschen die Gesetze des
Raumes und der Aufteilung der Fläche. Die
strenge Technik des Holzschnitts, die Klemm
lange geübt hat, hat ihn zur Klarheit in seinen
Absichten geführt; doch die Malerei seiner
letzten Jahre mit ihrer flüssigen Behandlung
ließ ihn auch in der Graphik zu den malerischeren
Techniken der Radierung und Lithographie
greifen. Gerade in diesen Techniken wie in
der Malerei fällt die Loslösung von dem Im-

EISBAHN (1909)
pressionismus schwerer, liegt der Mittelweg
zwischen zwei Stilen näher als bei dem Holz-
schnitt, wo wir in den Japanern Vorbilder und
Vorläufer des Expressionismus mit seiner der
Natur abgewandten Einstellung in mustergülti-
gen Beispielen besitzen. Am klarsten kommt
das Zwischen-zwei-Stile-gestellt-Sein, bei allen
neuzeitlich gerichteten Künstlern im Porträt
zum Ausdruck. Im Bildnis jedes Menschen tritt
der Widerstreit zwischen Individuellem und
Typischem zutage. Der Impressionist legte sich
ganz auf das Individuelle fest. Die Eigentüm-
lichkeiten des Äußeren suchte er in jeder Ein-
zelheit mit aller Schärfe festzuhalten, gleich-
gültig welche Probleme des Lichts und der
Farbe er dabei verfolgte. Dem Expressionisten
gilt es die Idee der Persönlichkeit zu geben; denn
jeder Mensch repräsentiert irgendeine Spielart
eines besonderen Typus, dessen eigentümliche
Ausprägung er verkörpert. Konsequente Ex-
pressionisten suchen daher nicht mehr den Dich-
ter, Herrn X zu schildern, sondern das Dich-
terische in Herrn X. Auf diese Erwägungen
hin betrachte man das „Bildnis Van de Veldes“
(Holzschnitt 1917). Hier hat der Impressionist

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