Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. [1.].1873/​75

DOI Heft:
Fünftes und sechstes Heft (1875)
DOI Artikel:
Praktische Notizen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26636#0109
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 5 imä 6. 1875.

Praküsche Notizen

9

Steifheit, in jener Weichheit und Milde und doch strenger Einfachheit,
wie sie in der frühitalienischen Malerei aus der Zcit nach Giotto und
Cimabue bis Fra Giovanni da Fiesole uns so bezaubernd und an
eine überirdische Welt gemahnend entgegentreten.

Wir wollen zum Schlusse nur noch einen Blick auf die hervor-
ragendsten drei Werke werfen, die außer der Malerei das Pres- ^
byterium zieren.

Der Hochaltar, frei in der Mitte der Apsis stehend, erhebt sich
in Form eines romanischen Reliquienschreines auf steinerner Mensa
und ist ganz aus getriebenem und gegossenem Messing gebildet, welches
jedoch nicht vergoldet, sondern nur broncefarbig gebeizt und in diesem
matten Schimmer belassen ivurde — wenigstens war derselbe vor etwa
5 Jahren, als Schreiber dieses die Godehardskirche besuchte, in diesem
Zustande. Diese Behandlung des an sich unedlen Metalles mag ivohl
im Anfange, so lange noch die gleiche Broncefärbung durch Orydation
nicht alterirt worden ist, einen gewissen ernsten Charakter gezeigt haben
allein es ist zu bezweifeln, ob nicht mit der Zeit die Flächen des
Messings sich anders orydiren als die rauhen, gegossenen und ge-
triebenen Theile; unseres Erachtens wäre einer soliden Feuervergoldung
mit Anwendung von Niello und Email entschieden der beliebten Natur-
farbe des Messings der Vorzug zu geben gcwesen. - Vor dem Altare
ist in dem Boden ein mosaikartiger Teppich von prachtvoller Zeichnung
in schwarzer, graucr und rother Farbe ausgeführt. Das Material ist
einc Art Cemcntguß, aus welchem der Hintergrund der Zeichnung oder !
die Conturen der Buchstaben oder Figuren herausgestochen und mit
dunkel gefärbtem Cement eingelasscn sind. Die Zeichnung dieses ^
Teppichs ist nun folgende: Jn der Mitte befindet sich ein kreisrundes
Medaillon, in welchem die Kirche als Schisf auf den Meercswellen vor-
gestellt ist; in dem Schiffe ist als Bild der blcwloüa kllä die Nord
ansicht der Godehardskirche selbst mit all' ihren Thürmen gewählt;
eine Taube mit dcm Oelzweige im Schnabel fliegt auf die Kirche zu,
und ist hiermit die vorbildliche Beziehung der Arche Noe zum Schiffe
der Kirche angedeutet. Jn dem Bande, welches dieses Bild umgibt,
steht in zwei Reihen der Psalmspruch: ltoiniim, gum Imbitiliit in
t8.bLimg.on1o tuo, guis reguiLSvkt III nioutL sunoto tuo. tzui änArociitur
sins inueulg. tzt oporatur snstitiain 6to. Von dicsem Mittelkreise gehen
nach dem Saume des Teppichs rechtwinkelig 4 breite, mit romanisch
stylisirten Büumen gefüllte Balken aus; zwischen denselben laufen in
diagonaler Richtung nach den Ecken des Teppichs zu die 4 Flüsse des
Paradieses mit den entsprechenden Jnschriften; sie entspringen aus cinem
Äranze von Wolken, aus denen Strahlen und Thautropfen hervor-
brechcn; in den übrig bleibendcn 8 Zwickeln sind Thicrfiguren als Re-
präsentanten der 4 Elemente angebracht, nämlich 2 Adler, 2 Löwcn,

2 Dracheü und 2 Delphine. Nach innen zu ist das Viereck mit stylisirten
Meereswellen, die sich überstürzen, eingefaßt; darnachkömmt ein breites
Ornamentenband, endlich außen eine Umschrift in vier Hexametern:

Ora pi'opiistgruin guas vatioiuata kuoruut,

Uaso rata soriptores svangslii ssoinsruiit.

Ouatuor irriAgut paraäisi kluiuiua inuucluui,

Virtutssgus rigmut totiäsiu oor oriuiius uiuucluiu.
Unmittelbar an den Stufen des Altares ist ein breiter Streifen der
Länge nach angesetzt, auf welchem der celcbrirende Priester beim Stufen-
gebete fteht; ein Schriftband umschlingt mit Laubwerk verbunden eine
Gruppe von Basilisken und Schlangcn; die Jnschrift lautet: 8upsr
uspiilsni st basiiisouui Lnibulaliis,- st oonouloaliis Isonsin st clra-
oonoin. Die ganze Conception und Zeichnung dieses Cementguß-
Pavimcntum ist im prächtigsten romanischen Style gehalten und ver-
dicnte, für größere gestickte Altarteppiche als Muster genommen zu
werden.

Endlich gelangen wir zur Betrachtung der über diesem Teppiche
schwebenden Lichterkrone, deren Durchmesscr wohl 25 Fuß betragen
dürfte. Sie ist eine Nachahmung des im Dome zu Hildesheim hängen-
den kotossalen Kronleuchters, nur in geringerem Materiale (wahr-
scheinlich Eisen) ausgeführt und durch Malervergoldung und in
schwarzer Farbe aufgemalte Ornamente geziert. Unmittelbar an der
Hängestange oben ist ein Tabernakel auf vier Säulchen, getragen von
den sechsfach gcflügelten Symbolen der vier Evangclisten, in welchem
das apokalyptische Lainm mit den sieben Hörnern ruht; in dem Ringe,
welcher zu oberst das Ganze trägt, sieht man die segnende Hand des
Vaters mit dem Kreuznimbus; von dem eben geschilderten Tabernakel
gehen nun l2 Kctte» anseinandcr, die in der Mitte durch zierlich
durchbrochene Knöpfe getheilt, sich in 24 Ketten zerspalten und die
eigentliche Lichterkrone tragen. Diese ist vollständig kreisrund, und mit
24 tabernakelförmigen Thürmchen bcsetzt, in deren jedem einer dcr
24 Aeltesten, mit Kronen auf dein Haupte und Opserschalen in den
Händen, sitzt. Die Rückseite eines jeden dicser Thürme hat einen in
schwarzen Conturen auf Goldgrund aufgemalten Engel mit dcm Spruch-
bande: Laiiotas Zwischen jcdem Thurme sind auf dem Neifen der
Lichterkrone je drei Engel in Brustbildern, uber dcren Köpfen je eine
Lichterschale, wieder mit dem Spruchbande 8uiiotiis, 8aiiot,is. Zaiiotiis
angebracht, so daß 72 Engel 72 Lichter tragen. Die Mitte des Kron-
reifens nimmt eine breite Majuskelinschrift ein, welche das Gebct dcr
24 Aeltesten aus der geheimen Offcnbarung wiedergibt: Oigaius ss
lioiiiiiis, aooipsrs Zlvrium st lumvrc-m st lisnsäilltioiism sto. Das
Ganze macht einen ungemein feicrlichcn Eindruck, der noch gehoben
^ werden muß, wenn zur Nachtzeit die72Lichter dieÄirche rings herum
erleuchtcn. Jn einem späteren Hefte werden wir eine Abbildung dieser
prächtigcn und mit vcrhültnißmäßig geringen Mittcln hergesteUten
Lichterkrone mit den dazu gehörigen Details bringen.

(Fortsetzung folgt.)

Die Anwendnnff der Ledertapetcn für kirchliche Zwecke.^)

Bei den Nestaurationsarbeiten in den Kirchen bedient man sich
seit einiger Zeit mit dem besten Erfolge wieder der älteren Muster
und Techniken früherer Jahrhunderte. Die weiße Tünche, die Mono-
tonie und Stillosigkeit der Geräthe weicht allmälig dem besseren Ge-
schmacke. Die Farbe kömml wieder zur Geltung. Kunstvolle Gewebe,
Stoffe und farbige Stickereien zieren wieder unsere Gotteshüuser. Glas-
gemälde brechen das grelle Licht. Jm 15. Jahrhundertr schon traten
die Tapeten aus gepreßtem, vergoldeten und bemalten Leder, aus
Andalusien eingeführt, mit ihrer satten und brillanten Wirkung den
farbigen Seidenstoffen, dem Sammt, den Brokatstoffen mit Gold und
Silber wirksam zur Seite. Der Goldarund mit farbigen Mustern und
Figuren wirkt überaus prächtig. Jn einigen Kirchen sind noch Dor-
salien, Bücherkiffen, Antipcndien von vergoldetem Leder erhalten. Seit
einigen Monaten ist in Landshut eine Ledertapetenfabrik
von Georg Pfaffenzeller und Compagnie entstanden, welche
die alte Technik der Ledertapeten wieder vollständig sich eigen machte,
und sümmtliche Arbeiten aus vergoldetcm Leder in der alten Farben-
pracht und Pressung wieder erzeugt. Die Fabrikate sind sehr haltbar,
können mit Wasser und Schwamm gereinigt, gerollt und in gerolltem
Zustande aufbewahrt wcrdeii, und eignen sich, da sie viel billiger als
Stoffe kommen, vortrefflich zu Dorsalien, welche bei Festen ähnlich
wie Stoffdorsalien in den Altarnischcn aufgehüngt, und dann wieder
abgenommen und aufgehoben werden können. Für Antipendien, Retabeln,
Subsellien, Betschemel, Bücherkiffen, Mcßpulte, Baldachine, Rückwände
der Chorstühle, Behüngung dcr Presbyterien an hohen Festen ange-
wendet, wirkcn sie prächtig, und vertragen sich vortrefflich mit dem
Reflerlichte der Glasmalerei in dc» Fenstern. Die Fabrikate werden
nach Wunsch in allen Farbentönen, Stilarten und nach jeder Zeich-
nung rasch und solid ausgeführt.

Bei Bestellungen für Subsellien und Betschemel empfiehlt fich
entweder eine ganz genaue Wcrkzeichnung im verjüngten Maßstabe,
'oder noch beffer das Holzgestelle einzuscnden. llebrigens wcrden solche
Gestelle nach jeder Zeichnung in jedcm 'gewünschten Materiale auch in
der Fabrik billig besorgt Bei Anschnsfung von Dorsalien, Wand-
verkleidungcn, Retabeln, Antipendicn ec. ist die genaue Angabe dcr
zu decorirendcn Flüchen nach Centimctcrn, und Einsendung einer Skizze
dcr betreffenden Gegenstände mit eingeschriebenen Maßen, dann An-
gabe des Baustilcs der Kirchc, der Tünchung der Wände und der
Farben der Glasgemülde nothwendig.

Die Preise betragen für den Quadratmeter — 113,4 ffH-Fuß
bayerisch 12 -60 Mark loeo Landshut bei Baarzahlung. Nähere Auf-
schtüsse ertheilt auf frankirte Anfragen die Fabrik.

0 Wir werden >m nachstcn Hefte auf diese verdienstvollc Wiederaufnahmc eincr
alten Technik znrückkvmmcn. ' lD. Red.)
 
Annotationen