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Von der
Renaissance
zum Barock

Entlassen von den Werken des Mittelalters sieht sich der Besu-
cher inmitten eines Ensembles verschiedenster Objekte, die
zeitlich vom 16. zum 17. Jahrhundert, stilgeschichtlich von der
Renaissance zum Barock führen. Zu ihrem Verständnis und zur
Erinnerung folgendes: Die entscheidenden Anregungen an der
Wende zur Neuzeit übermitteln Italien und der Humanismus. Sie
offerieren der deutschen Kunst italienisches und antikes Form-
und Gedankengut, sie führen zur „Entdeckung der Welt und des
Menschen" (Jacob Burckhardt). Damit beginnt um 1500 unsere
Kunst, sich von ihren sakralen Bindungen zu lösen. Neben der
Altartafel entsteht das Tafelbild mit gegenwärtigen Inhalten wie
Porträts, Landschaften und Stilleben. Entsprechend der neuen
Mündigkeit des Menschen macht sich sein plastisches Abbild
frei von den Bindungen an die Architektur, entdeckt werden
neue Verfahren und Möglichkeiten der Graphik. Das macht
wenigstens in Andeutungen auch das Gmünder Museum
transparent, genauso das Phänomen, daß die deutsche
Renaissance ihre Vorbilder in oft sehr eigenwilliger Weise
gebraucht und verarbeitet, ohne dabei ihre gotische Vergang-
enheit ganz vergessen zu können.

Die Idee der italienischen Hochrenaissance, das Ideale im Rea-
len zu integrieren, gelingt nur kurze Zeit und nur wenigen. In der
Spätrenaissance, heute auch als Manierismus bezeichnet, wer-
den die Grenzen dieses Ideals mit verschiedenartigen Manie-
rismen aufgebrochen und die Norm durch das Abnorme bis hin
zum Abstrusen überlagert. Dem macht der Barock mit seiner
neuen Ganzheit ein Ende, mit seiner Vereinheitlichung von
Form und Dekor, mit seinen kraftvoll schwellenden Gebilden,
der Suggestion von Bewegung, mit seinem „Sinn für Pracht und
Größe" (Goethe).

In Gmünd verläuft die Entwicklung von der Renaissance zum
Barock analog der Kunst des Landes. Erst nach dem Bauern-
krieg 1525 werden Renaissance-Formen gebräuchlich. Großes
ist in den folgenden Jahrzehnten wie weithin in Süddeutschland
auch in Gmünd kaum geschaffen worden. Das kann nicht mit
der „Abthuung der Bilder" (Karlstadt) allein entschuldigt wer-
den, denn die Remsstadt bewahrte den alten Glauben, war
jedoch im Interessengebiet des evangelischen Herzogtums
Württemberg zunehmender Isolierung und wirtschaftlichen
Pressionen ausgesetzt. Und im Dreißigjährigen Krieg regieren
nach der Schlacht von Nördlingen (1634) Not und Tod. Erst
nachdem die Wunden dieser Zeit vernarbt waren, wird in
Gmünd in Gestalt des (1801 zerstörten) Münster-Hochaltares
das erste monumentale Barockzeichen gesetzt.19

Jetzt wenden wir uns den Gegenständen dieses Raumes zu,
vielleicht Hinweise auf die Männer erwartend, die als mehr oder
weniger glänzende Namen der Dürer- und Nach-Dürer-Zeit in
 
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