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Wir wenden uns der nächsten Abteilung zu, die sinnvollerweise
fast nahtlos die vorhergehende fortsetzt, und, wie man hier
schon sagen kann, auch abrundet. Sie ist dem Thema Volks-
frömmigkeit gewidmet. Was das ist, kann nur der auf einen kur-
zen Nenner bringen, der simplifiziert. Denn hier handelt es sich
um die vielfältigen geistlichen Tätigkeiten und Übungen,
Regungen und Resonanzen, an denen in besonderer Weise
Herz und Gemüt und alle Sinne teilhaben. Kein Zufall also, daß
der barocke Katholizismus ihr bester Nährboden ist und dies
solange, bis an der Wende zum 19. Jahrhundert die Aufklärung
mit ihrem Rationalismus diese herzhafte, saftige Volksfrömmig-
keit auszutrocknen beginnt.

Ohne das visuelle Element und auch den Tastsinn existierte
keine Volksfrömmigkeit, denn sie verlangten und förderten die
in manchen Bereichen massenweise produzierten Gegenstän-
de. Das sind die großen, öffentlich verehrten Figuren und Bilder,
mehr aber noch die Gebilde kleinen Formates für die private,
intime Andacht und zur Legitimation des Glaubens bis hin in die
Grenzbereiche der Magie.

Es gibt den Gebrauch und den handgreiflichen Umgang mit die-
sen Gebilden und Zeugen der Volksfrömmigkeit, die kontem-
plativ im stillen Kämmerlein geschieht, die aberauch die Öffent-
lichkeit nicht scheut und dort nicht die Handlung und sinnfällige
Darstellung ihres Eifers in Dingen des Glaubens. Erstes Doku-
ment sei die Gmünder Palmesel-Prozession, die der Zeitge-
nosse Dominikus Debler inhaltlich so beschrieben hat: Am
Palmsamstag mittags um 3 Uhr begann die 1. Prozession vom
Münster aus. Voran gingen die Schulkinder und die Geitslich-
keit. Nun folgte der Palmesel, festlich geschmückt, von 8 Metz-
gern gezogen (Angehörige ihrer Zunft hatten bei der Wiederer-
langung des von schmalkaldischen Truppen 1546 wegge-
schleppten Palmesels sich besondere Verdienste erworben).
Dem Esel folgte der Magistrat, die Stadtbedienten, die Zünfte
und zuletzt die Frauen mit den kleinen Kindern. Alle Kinder, die
mit der Prozession gingen, mußten etwas Neues an Kleidungs-
stücken tragen, sonst „gumpet diese der Palmesel". Im Spital
wurde der Palmesel in der Kirche zwischen brennenden Kerzen
aufgestellt. Am Palmsonntag früh um sieben Uhr zog die Pro-
zession wieder in gleicher Ordnung zum Spital, um den Esel
zurückzuholen, allerdings ohne die Kinder, so daß alles in Ruhe
und Stille vorbeigingt

Das Tafelbild (18. Jahrhundert, 49 x 79,5 cm), das mehr histori-
sches als künstlerisches Dokument sein will, illustriert die bis
1802 stattgefundene Prozession, die den heute in der Kapelle
St. Salvator aufgestellten Palmesel mitführte. Die vor dieses Bild
gerückte Halbfigur Christi (2. Hälfte 14. Jahrhundert) stammt
von einem Palmesel des Klosters Gotteszell.
 
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