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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Lory, Karl: Franz Widnmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0386

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Franz Midnmann f.

vielfach sich Midnmann auch fort und fort mit Ma-
lerei beschäftigte, und zwar bis zuletzt, feine schlichte
natürliche Herzlichkeit, die wir schon kennen lernten,
als wir von feiner hilfsbereiten, wohltätigen Gesinnung
sprachen, bewahrte ihn glücklich vor der Gefahr, die
gerade die Nachahmung Pilotys in sich barg: vor
dem Aufgehen in einem äußerlichen, kalten, leeren
Pathos. Viel mehr als zum Historienbilds „großen
Stils" fühlte er sich zu schlichten, treuen Bildnissen
hingezogen, zum Stilleben, zu Landschaftsstudien,
nicht zuletzt auch zu innigen religiösen Bildern, und
gerade aus letzteren klingen Töne, die an die besten
Deutschen des älteren (fl. Jahrhunderts erinnern,
gelegentlich an Bethel und dann wieder an Schwind.
Auch seine unleugbare Habulierlust, die in seinen
dekorativen Arbeiten manchmal so anmutig zutage
tritt (vgl. die Geschästskarte für „giftfreie" Meihnachts-
baumkerzen Abb. 6((), manchmal wieder fast gewalt-
sam unterdrückt zu sein scheint (namentlich auf der
Mehrzahl der Adressen), weist zurück in Zeiten, die
vor der pilotyschen Veräußerlichung der Geste, der
Situation liegen.

Es ist dieser Umstand auch für die kunstgewerbliche
Tätigkeit Midnmanns nicht ohne Bedeutung. Man
kann ja das kunstgewerbliche Schaffen nicht loslösen

(507 11. 608. Skizzen zu Glückwiinschkarten.
(*/« d. Vriginalgröße.)

von der gesamten übrigen Aunstproduktion einer
Epoche; und wie der malerische Geschmack allmählich
ins Äußerliche, ins Leer Dekorative unter dem Schein
besonderer Gedankentiefe und Empfindungsstärke
sich verlor, so ging's auch im Aunstgewerbe: äußere
Prunkhaftigkeit, die ihre Zwecklosigkeit unter einer
Hülle gedankenreicher Beziehungen zu verbergen suchte,
bekam die Vorherrschaft. Midnmann aber, dessen
ganze Persönlichkeit, wie wir sahen, der geschilderten
Richtung in der Malerei widerstrebte, mehr der un-
gekünstelten, dabei wahreren und schlichteren Art
der vorausgegangenen Zeit entsprach, machte zwar
im Aunstgewerbe, bei dem die rein persönliche
Betätigung naturgemäß viel leichter zurücktreten muß
wie in der Malerei, in dein der Zwang der Myde
viel stärker ist, die „altdeutsche" Richtung usw.
mit, aber er verlor sich nicht in ihr, und wer speziell
die in diesem Hefte abgebildeten graphischen Sachen
Midnmanns durchsieht, der erkennt alsbald, daß

6O9. Kopfleiste. (Halbe Vriginalgröße.)

ein Aünstler wie er, unter dessen Heder gelegent-
lich die anspruchslos-sinnige Linienführung der
Romantiker wach wurde (vgl. die Skizze einer Ein-
ladungskarte zur Habenschadenfeier Abb. 6(0), auch
niemals ganz das Verständnis für die Notwendigkeit
verlor, das zum Druck bzw. zur Vervielfältigung
durch die Buchdruckerpresse Bestimmte typenartig
wirken zu lassen, nicht irgendwie „malerisch" bzw.
zeichnerisch (vgl. das Aopfstück für „Daheim"
Abb. 606), er sieht mit Interesse und vielleicht mit
Verwunderung, daß Midnmann gar nicht ungern
auf das Drum und Dran unsachlichen Grnamenten-
brimboriums zum Vorteil einer klaren Hormensprache
verzichtete (vgl. die Aopfleiste der Münchener Stadt-
obligationen von 1897 Abb. 6(5), daß er die flächige,
plakatartige Wirkung des modernen Ex-libris keines-
wegs verkannte (Abb. 632—65^) und sich gegen Ende
seines Lebens noch mit vielem Glück und gutem
Geschick an einer so modernen Aufgabe wie der
Gewinnung einer neuen Briefniarkenserie für das
Aönigreich Bayern beteiligte (Abb. 6(7—65().

Aurz, das eine darf man unter allen Rmstän-
den behaupten: die Richtung des Aunstgewerbes,

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