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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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N. Z.: Die Münchener Dekorative Malerei und Anton Kiesgen
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Eine Auseinandersetzung mit dem Expressionismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0012
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halfen die Kriegsverhältnisse etwas nach, weil das
ausländische Holz allmählich unerschwinglich wurde
und damit das Interesse für veredelte bemalte Möbel
zunahm. Allgemein wurde bei Lösung dieser Frage
vom Japan»MöbeI ausgegangen, das uns ja längst
nicht mehr fremd war und auch manchem ein»
farbigen, besseren Serienmöbel Pate gestanden hat.
Kiesgen setzte von hier aus ein, vermied aber die
übliche Imitation, son»
dern wußte auch japa»
nische Grundlagen sei»
nem persönlichen Stil an*
zupassen. Er schuf einen
technisch vollendeten
Lackanstrich und stellte
durch eine nach Art der
Chinoiserien leicht ba»
rod-dsierende Einfügung
japanischer Motive ein
durchaus salonfähiges
Lackmöbel für unsere
Bedürfnisse her. Er war
hier der erste, der die
pastose Maltechnik für
diese Zwecke ausbaute
und er zwang ihr neben
der Reliefwirkung auch
neue stille Farbeneffekte
ab. Dabei entfernte er
sich zunehmend von der

japanischen Quelle und wurde immer freier in der An»
näherung an unser Formempfinden. Die günstigste
Gelegenheit hiezu fand er bei Wandschirmen, wobei
er sich für die Zeichnung den weitesten Spielraum
nahm, ohne doch sich von der Grundlinie der übrigen
Möbel zu weit zu entfernen. Kiesgen lehnt den be»
malten Gobelin, der sich leider immer mehr einbürgert,
ab, die maltechnische Imitation der Bildweberei kann

verlud

nvmu

ANTON KIESGEN »MÜNCHEN
DEKORATIVES MOTIV: SPIELZIMMER, FILMKLUB

auch um so weniger gebilligt werden, je mehr sie sich
auch noch in der Zeichnung und Farbgebung ihren
Vorbildern unterwirft. Dagegen hat er sich mit der
Schöpfung gemalter Wandteppiche erfolgreich beschäf»
tigt, die in Strichführung und Kolorit sich als das geben,
was sie sind. Daß die graphischen Arbeiten dieses
Mannes den Maler verraten, ist selbstverständlich. Es
sind meist Gelegenheitsarbeiten, Geschäftskarten, Pia»

kate, Familienanzeigen,
alle von festem Strich
und ausgesprochen de»
korativer Wirkung, klar
in der Zeichnung und ab*
gerundet in der Farbe.

Es ist ein vielseitiges
Schaffen, das hier an
uns vorüberzog, aber
im Grunde steht un-
verkennbar hinter allem
die eine schöpferische
Hand, ob monumentale
Malerei, Möbel oder
Geschäftskarte, es tritt
ein gleichartiges künst»
lerisches Wollen daraus
hervor, eine unverän»
derte Persönlichkeit, be»
zeichnet durch gereiften
Formen» und Farben»
sinn und abgeschlos»
senes handwerkliches Können, aber unendlich wan-
delbar und vielseitig, wenn es gilt die einzelne Auf»
gäbe zu erfassen und darin aufzugehen. Man kann
heute die Vorhersage von 1914 wieder aufstellen,
denn Kiesgens Werdegang ist gewiß noch nicht ab»
geschlossen, er wird auch über seine heutigen Erfolge
sich noch hinausentwickeln und das Werk fortsetzen,
das hinter ihm liegt. nz.

EINE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM
EXPRESSIONISMUS.

Auf der jüngsten Tagung des Bundes deutscher
Dekorationsmaler in Berlin brachte Julius Mössel ein
Referat „Über den Glauben an die gute Sache".
Diese Auseinandersetzung eines in Kunst und Hand»
werk gleich erfahrenen Meisters mit dem Expressionis»
mus verdient in seiner Klarheit und Überzeugungs«
treue weitestes Interesse auch bei denen, die nicht
durchweg damit einig gehen und wir bringen deshalb mit

Zustimmung des Autors eine gekürzte Wiedergabe: *>
„Wir werden heftig von den ästhetischen Tagesfor»
derungen in Anspruch genommen und haben dabei
in den wenigsten Fällen die Möglichkeit, eine aktive
Rolle zu spielen. Ein Stil wird uns gebracht, ohne
daß die meisten Beteiligten ihn wollen oder nur daran

*) Leider mußten dabei einige längere und eingehende Beweis»
führungen wegen Knappheit des Raumes weggelassen werden

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