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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Kiener, Hans: Neue Arbeiten von Joseph Bergmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0150
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G. BESTELMEyER

Evangelische Kirche in Grafing

NEUE ARBEITEN VON JOSEPH BERGMANN.

Audi nachdem man im 19. Jahrhundert erkannt hatte,
daß das Problem der religiösen Malerei nicht mit dem
Vorwurf, dem Sujet, und audi nicht mit der Sättigung
des Ausdrucks mit Gefühlswerten zu erschöpfen, son-
dem, daß es vielmehr ein eminent formales sei, blieben
die ersten Versuche tastend und es wurde klar, daß es
nicht möglich sei ohne weiteres irgendwo in der Ver-
gangenheit anzuknüpfen.

Worunter die Malerei der Nazarener so sehr ge-
litten hat, das war, daß ihre Urheber innerlich den gros-
sen Vorbildern nicht gewachsen waren, daß sie gerade
das, was ihre Vorbilder, besonders Raffael so groß
machte, die Stilmerkmale, die Heinrich Wölf flin in seiner
klassischen Kunst in klassischer Weise präzisiert hat,
nicht gesehen haben: Die Einstellung auf das Elemen-
tare der Urrichtungen der Horizontale und Vertikale,
die Einstellung auf den sonor klingenden Kontur der
den ganzen Bildorganismus souverän durchwaltenden
aktiven Gebärde.

Und sei es nun, daß man das Unzulängliche der
eigenen Bemühungen, gerade der klassischen Kunst
gegenüber, eingesehen hat, sei es, daß man des klas-
sisch=antikischen Elementes in der raffaelisch = midiel-
angelesken Großkunst sich klarer bewußt wurde und
dazu Stellung nahm: Genug, auch als spätere altchrisr-
lich=byzantinischen und romanischen Anregungen folg-
ten, hatte man den Eindruck, daß es wieder nicht das
Wesentliche, sondern ausschließlich das Gehemmte,

das Starre des Linienduktus wäre, und noch dazu in
falscher und kleinlicher Aufmachung, was man den
alten Vorbildern abzugewinnen vermochte.

Es mußte erst allmählich das Verständnis wieder
heranreifen für den Sinn einer mit einfachen Mitteln
bestrittenen Komposition. Becker=Gundahl wirkt in
diesem Sinne. Und wenn Joseph Bergmann, ein Schüler
Bedcer=Gundahls, dem Lehrer bedeutende Förderung
verdankt, so scheint mir doch das Entscheidende in der
ausgesprochenen und einseitigen Wahlverwandtschaft
zu liegen, die Joseph Bergmann schon früh zur großen
und strengen altchristlichen und frühmittelalterlichen
Kunst hingezogen hat. Schon früh haben die Reste ro-
manischer Wandmalerei in Perschen in der Oberpfalz
— Bergmann ist Oberpfälzer — großen Eindrudt auf
den Knaben gemacht. Schon als Gymnasiast lehnte er
mit sicherem künstlerisdiem Instinkt, die in der Sphäre
des Novellistischen Stedten gebliebenen Odysseebilder
von Preller ab, für die ihn sein Lehrer zu erwärmen
suchte, sah aber mit Begeisterung die Fresken in Kot-
tingwörth, Regensburg und Prüfening. Dann trat auch
die Welt der mittelalterlichen Miniaturen nachdrücklich
in seinen Gesichtskreis ein: Die Cimelie 57 der hie-
sigen Staatsbibliothek, die Bamberger Apokalypse, der
Codex von Rossano. Der größte Eindrudc aber, von
dem der Künstler erzählt, ist Ravenna. Und hier ist
es sehr aufschlußreich, den Künstler selbst sprechen zu
hören: Er sucht nach allgemein gültigen formalen Ge-

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