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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Wolf, Georg Jacob: Der Wandel der Raumkunst im letzten Jahrhundert
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Heilmeyer, Alexander: Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0114
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später durch die Mittlerschaft der von ihm meisterhaft ausgestatteten Dampfer des Norddeutschen
Lloyds für Münchener Raumkunst in allen Zonen und Weltgegenden warb. Zweifellos hatte man
durch den trüben Korridor des Konstruktivismus auch im Kunstgewerbe gehen müssen. Aber es war
ein Durchgang gewesen. Man kehrte, das wurde besonders auf der Deutschen Werkbundausstellung
1914 in Köln augenfällig manifestiert, zurück zu reicheren, schmuckeren Formen und Gestaltungen.
Es gab allerwärts in Deutschland wundervolle Palais und Ansitze, Landhäuser und Kasinos, Barsund
Hotelzimmer, die vollkommen in der raumkünstlerischen Formensprache dieser Zeit gehalten waren.
Ein Zug von Reichtum und Sonnigkeit lag über allem.

Da zerschlug der Krieg wirtschaftlich und ästhetisch, was wir erreicht hatten. Es verbot sich fast
aus ethischen, zweifellos aber noch mehr aus materiellen Gründen, zu bauen und auszustatten wie vor
1914:. Und heute stehen wir, angesichts der Wohnungsnot und unserer Armut vor schier unerfüllbaren
Problemen. Wir müssen uns bescheiden, aber wir müssen es mit Würde tun, eingedenk des Goethe*
Wortes, daß man, um geistige Werte zu produzieren, kein überladenes, kein prunkvolles Zimmer nötig
habe. Trotz aller Schlichtheit edle Raumgesinnung — das ist es, worauf es ankommt. „Die Entwicklung
und Pflege solchen Raumsinnes, der mit einfachen Mitteln eine würdige Umgebung schaffen kann",
sagte Pechmann in dem erwähnten Vortrag, „ist dringend nötig für unser Volk, das in der Gegenwart
für jene kommenden Generationen bauen muß, von denen wir die Erneuerung des deutschen Geistes
und der deutschen Weltgeltung erhoffen." Georg Jacob Wolf.

FÜHRER.

Das fünfundsiebzigjährige Bestehen des Bayerischen Kunstgewerbevereins umfaßt ein gut Stück
Münchener Kunstgeschichte, eine Fülle bedeutsamer Ereignisse und Wandlungen. Versuchen wir ein*
zelne Epochen darin festzuhalten, erscheinen sie eng verknüpft mit dem Wollen, Wirken und Schaffen
einzelner Persönlichkeiten. Sie sind die eigentlichen Repräsentanten einer Epoche, die ihr Leben, Farbe
und Bedeutung geben.

Allzeit begegnen wir im Verein Männern, die zur rechten Zeit kamen, um mit praktischer Klugheit
und organisatorischem Talent den herrschenden Wind in die Segel zu nehmen und vorhandenes
Nutzwasser auf die Mühlen zu leiten. Wir begegnen Männern, die in ihrem ersten Beginnen Wider*
stand fanden, weil sie weiter hinaus als die bloße praktische Klugheit sahen und mit einem gesunden
Vertrauen auf ihre Kraft einen ebenso tragenden gesunden Idealismus verbanden, ohne den niemals
nichts Rechtes möglich ist. Und schließlich begegnen wir in ihrer Gesellschaft auch jenen enthusi*
astischen Naturen, die wie die himmlischen Feuerreiter durch dieses trübe, dämmerige Erdental stürmen
und all die Lauen und Langsamen, Zögernden und seßhaft Geruhsamen mitreißen, in den Schwung
und in die Bewegtheit geistigen Lebens. Fleute noch, nachdem sie schon längst in die Nacht, die dem
lichten Tage folgte, versunken sind, umweht ihre Betrachtung und Gestalt der Zauber persönlichen
unnachahmlichen Lebens.

Wie auf den Stifterbildern alter Meister, treten sie uns als die Gründer unseres Vereins entgegen.
Es erscheinen Kopf an Kopf: Voit, Miller, Gedon, Seitz, Seidl, Thiersch. Der Erste, Oberbaurat Voit,
Gründer des Vereins, kommt noch aus der Zeit König Ludwig I. Sein jugendliches Bild bewahrt das
bekannte Gemälde von Catel in der Neuen Pinakothek „Kronprinz Ludwig in der römischen Künstler*
kneipe". Als Nachfolger Gärtners, Professor für Architektur an der Münchner Kunstakademie, hat Voit
überaus günstig auf die heranwachsende Jugend eingewirkt. Von seinen Bauten, die praktisch zweck*
mäßig disponiert, technische Fortschritte mit architektonischen Formgedanken harmonisch verbinden,
sei vor allem an den Glaspalast und an das Glasmalereigebäude, die heutige Kunstgewerbeschule, er*
innert. Praktisch klug und organisatorisch befähigt und auch des enthusiastischen Schwunges nicht ent*
behrend, gründete er aus einem richtig erkannten Bedürfnis und der Not der Zeit heraus den „Verein
zur Ausbildung der Gewerke", unseren Kunstgewerbeverein! Er brachte nicht nur bald alle besseren

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