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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Fischer, J. L.: Die Kunst am Metall
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Knappe, ...: Das Münchener Kriegerdenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0063
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KNAPPE, FINSTERWALDER ® WECHS.
Modell des Münchener Kriegerdenkmals nach seinem endgültigen Ausbau
<Aus „Dekorative Kunst". Verlag F. Brudtmann.)

DAS MÜNCHENER KRIEGERDENKMAL

ist geworden aus dem Gefühl heraus, etwas entstehen
zu lassen, was zunächst nicht gewohnte oder unge*
wohnte Augenweide für Vorübergehende, sondern
vor allem Aufenthalt schaffen soll für all diejenigen,
die sidi dem Gedenken an den Krieg und an die vielen
Toten auch wirklich hingeben wollen. Darum auch die
folgerichtige Kritik derjenigen, die bloß Augenweide
haben wollen, die sich ungern der Mühe unterziehen,
diesen Aufenthalt und seinen Sinn zu erleben. Hier
soll der Mensch selbst mittun und es soll ein Ort der
Begegnung sein, sei es mit den Toten, sei es mit sich
selbst im Zusammenhang mit dem, was geschehen, was
hinter uns liegt und doch mit uns lebt. Nicht jubelnd,
keineFanfare, wie eine triumphierende Figur auf einem
Sodcel, auch kein trauriger Ton, wie eine zusammen^
brechende elegische Figur. Beide sind der gleichen Art,
sie sind nur kurze Augenweide. Hier aber die Figur des
schlafenden Kriegers letzter Sinn dieses Aufenthaltes
und darum sichtbares Zeichen einer Begegnung, die hier
sich bestätigt. Nachdem also hier zunächst nicht von
überlieferter Schönheit oder Geschmack ausgegangen
war, konnten also auch nicht Proportionen bestimmend
sein für eine gedachte Augenweide, sondern es ergaben
sich Proportionen aus dem Sinn. Proportionen sind ja
immer sekundär und entstehen jeweils fest aus dem
Sinn, aus der Bewegung, aus der Bestimmung, aus
dem Wachstum eines Wesens. Und so ist hier Propor»

tion und Raum entstanden aus der Begegnung heraus
mit dem was wir meinen: Das Gedenken an den
Krieg. Denn alles Bauen kam aus der Begegnung
des Mensdien in seiner Zeit. Derjenige, der sich der
Augenweide hingibt, kommt nicht so sehr auf seine
Rechnung, wenn er nicht hineintritt in den Ort, in die-
sen Aufenthalt von Begegnung mit den Toten des
Vaterlandes. Es hat eine Zeit gegeben, die das Vater-
land als Figur darstellte, darunter aber stand geschrie-
ben „Patria". Das Vaterland ist nie eine Figur, son-
dem ein Zustand, ein Aufenthalt oder Liebe oder
Ort. Und auch der Krieg und seine Toten sind nicht
Augenweide sondern Erinnerung an ein Geschehen.
Und das Geschehen ist kein Bild, sondern in der Er-
innerung hält es uns auf und hier soll der Ort sein.
Die Menschen, die an einem Denkmal aus anderer
Zeit, aus anderem Sinn stehen, begegnen sich nicht,
sondern schauen Alle hinauf zu einer Sache und stehen
um die Sache. Hier aber begegnen sie sich unter einan-
der zwischen gleichem Geschehen. Und es ist kein Ort
der Deutungen von Bildern, sondern ein einfachstes:
Auch Du! Das Geschehen an uns durch den Krieg,
gebannt durch Begegnung an einem Ort, also nicht
mit einem Bilde, sondern der Begegnung der Me:i-
sehen untereinander des gleichen Schidcsals und im
letzten Sinn „im schlafenden Krieger" das sichtbare
Zeichen. Knappe.

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