Künstlerhaus und im Schloß Schleißheim erinnern. Hengeler hat damals ein fröhliches Gedenkblatt
gezeichnet, das Gabriel Seidl, Thiersch und Rud. Seitz als Festausschuß im Schöße der Athene zeigt,
hinter ihnen folgt Hermann Roth als getreuer Berichterstatter.
In dem nun beginnenden Kampf der Evolution gegen die Revolution blieb der Bayerische
Kunstgewerbe * Verein
seinen Leitgedanken
treu. Ohne sich Neuem
zu verschließen, trug er
mit bestimmter Ab*
wehr von Entgleisung
gen, wie sie so heftige
Bewegungen meist mit
sich bringen, dazu bei,
daß München von je*
ner ersten Welle ver*
schont blieb, die in der
Verunstaltung anderer
Städte noch heute er*
kennbar geblieben ist.
Gewiß, er stand in der
Abwehr nicht allein,
denn alle Führenden,
die Brüder Seidl,
Thiersch, Th. Fischer,
Hildebrand und Stuck
nahmen die gleiche
Haltung ein und hieb
ten unbeirrt an ihren
Schönheitsidealen fest.
München stand damals
in einer Blütezeit des
Bauschaffens, auch darf
nicht vergessen wer*
den, daß in jener Zeit
Handwerkskünstler
wie Fritz von Miller
hier wirkten, daß ne*
ben solchen Meistern
auch die Jüngeren,
Rothmüller,Steinicken,
A. v. Mayrhofer, Hei*
den in gleicher Rieh*
tung emporstrebten,
daß Bradl, Taschner,
Berndl, Jul. Diez hier
RUDOLF SEITZ & FERDINAND VON MILLER.
Flaggenhalter vor der Feldherrnhalle.
arbeiteten. So war die
ganze damalige Einstel*
lung von zu viel ferti*
gen Persönlichkeiten
getragen, als daß eine
übereilte Umorientie*
rung denkbar gewesen
wäre. Indessen kamen
die Neueren nicht min*
der zum Wort und in
Vorträgen, wie in der
sehr reichhaltigen Zeit*
schrift, welche damals
Gmelin leitete, finden
wir Dülfer, Berlepsch
Riemerschmid, Pan*
kok, Niemeyer u. a.
vertreten. Das Arbeits*
gebiet des Vereins er*
fuhr eine zeitgemäße
Erweiterung, man be*
schränkte sich längst
nicht mehr auf das
Handwerk, sondern
bezog auch die Gra*
phik, die architektoni*
sehe Plastik, die Stoff*
und Tapetenfabrika*
tion, Bekleidung und
Textilindustrie mit ein,
man beschäftigte sich
ebenso rege mit dem
Kunstgewerbe anderer
Völker und brachte
Aufklärung über das
Kunstschaffen in Eng*
land, Amerika, Frank*
reich, den nordischen
Ländern. 1893 war der
Verein auf derWeltaus*
Stellung in Chicago ver*
treten gewesen, 1900 in Paris, 1905 beschickte man St. Louis, 1906 die Nürnberger und Dresdener-
Ausstellung, 1908 fand die erste Gewerbeschau in München statt, ein Abschnitt und Wendepunkt
in der neuen Entwicklung, die damit ihre Anfangserscheinungen überwand und sich zu einer bedeut*
samen Bewegung läuterte.
In der Leitung des Vereins war nach Emil von Lange, Friedrich von Thiersch gefolgt, und hatte
anläßlich des Jubiläums 1901 zusammen mit Theodor Fischer den Plan einer Bebauung der Kohlen*
insel für Zwecke des Kunstgewerbes ausgearbeitet. Neben einer Stadthalle sollte ein größerer Komplex
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gezeichnet, das Gabriel Seidl, Thiersch und Rud. Seitz als Festausschuß im Schöße der Athene zeigt,
hinter ihnen folgt Hermann Roth als getreuer Berichterstatter.
In dem nun beginnenden Kampf der Evolution gegen die Revolution blieb der Bayerische
Kunstgewerbe * Verein
seinen Leitgedanken
treu. Ohne sich Neuem
zu verschließen, trug er
mit bestimmter Ab*
wehr von Entgleisung
gen, wie sie so heftige
Bewegungen meist mit
sich bringen, dazu bei,
daß München von je*
ner ersten Welle ver*
schont blieb, die in der
Verunstaltung anderer
Städte noch heute er*
kennbar geblieben ist.
Gewiß, er stand in der
Abwehr nicht allein,
denn alle Führenden,
die Brüder Seidl,
Thiersch, Th. Fischer,
Hildebrand und Stuck
nahmen die gleiche
Haltung ein und hieb
ten unbeirrt an ihren
Schönheitsidealen fest.
München stand damals
in einer Blütezeit des
Bauschaffens, auch darf
nicht vergessen wer*
den, daß in jener Zeit
Handwerkskünstler
wie Fritz von Miller
hier wirkten, daß ne*
ben solchen Meistern
auch die Jüngeren,
Rothmüller,Steinicken,
A. v. Mayrhofer, Hei*
den in gleicher Rieh*
tung emporstrebten,
daß Bradl, Taschner,
Berndl, Jul. Diez hier
RUDOLF SEITZ & FERDINAND VON MILLER.
Flaggenhalter vor der Feldherrnhalle.
arbeiteten. So war die
ganze damalige Einstel*
lung von zu viel ferti*
gen Persönlichkeiten
getragen, als daß eine
übereilte Umorientie*
rung denkbar gewesen
wäre. Indessen kamen
die Neueren nicht min*
der zum Wort und in
Vorträgen, wie in der
sehr reichhaltigen Zeit*
schrift, welche damals
Gmelin leitete, finden
wir Dülfer, Berlepsch
Riemerschmid, Pan*
kok, Niemeyer u. a.
vertreten. Das Arbeits*
gebiet des Vereins er*
fuhr eine zeitgemäße
Erweiterung, man be*
schränkte sich längst
nicht mehr auf das
Handwerk, sondern
bezog auch die Gra*
phik, die architektoni*
sehe Plastik, die Stoff*
und Tapetenfabrika*
tion, Bekleidung und
Textilindustrie mit ein,
man beschäftigte sich
ebenso rege mit dem
Kunstgewerbe anderer
Völker und brachte
Aufklärung über das
Kunstschaffen in Eng*
land, Amerika, Frank*
reich, den nordischen
Ländern. 1893 war der
Verein auf derWeltaus*
Stellung in Chicago ver*
treten gewesen, 1900 in Paris, 1905 beschickte man St. Louis, 1906 die Nürnberger und Dresdener-
Ausstellung, 1908 fand die erste Gewerbeschau in München statt, ein Abschnitt und Wendepunkt
in der neuen Entwicklung, die damit ihre Anfangserscheinungen überwand und sich zu einer bedeut*
samen Bewegung läuterte.
In der Leitung des Vereins war nach Emil von Lange, Friedrich von Thiersch gefolgt, und hatte
anläßlich des Jubiläums 1901 zusammen mit Theodor Fischer den Plan einer Bebauung der Kohlen*
insel für Zwecke des Kunstgewerbes ausgearbeitet. Neben einer Stadthalle sollte ein größerer Komplex
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