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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Kiener, Hans: Stilbildungstheorien in der Vergangenheit und Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0088
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Und das Ergebnis war danach. — Jakob Burckhardt findet den Maximiliansstil schauderhaft. Das ist
er auch. Und wenn wir heute die Gesamtanlage nicht mehr so furchtbar finden, so ist es nur, weil
wir wieder ein Organ bekommen haben, für den geheimen Barock, der in der ganzen Anlage der
Maximilianstraße, der Zeit und dem Erbauer unbewußt, drinsteckt. Die große Kulisse des
Maximilianeums, die den wichtigen Straßenzug abschließt, ist nichts als der barocke, ganz monumen*
tal gestaltete Point de vue, der der Straße Ziel und Resonanz gibt.

Der Versuch mit dem „Neuen Stil" war mißlungen und man fuhr fort mit der gleichfalls von der
Romantik begonnenen Wiederholung der verschiedenen historischen Stile.

Neben vielen Versuchen, die mißlangen, nicht weil man nachahmte, sondern weil man eben nicht
wirklich nachahmte, das Wesentliche der alten Kunst nicht zu erfassen vermochte, heben sich seit den
80 er Jahren aus der Masse der Bauenden zwei Münchner Architekten heraus, Gabriel und Emanuel
vonSeidl, die zunächst rein historisierend, die Renaissance, die italienische, besonders aber die deutsche
zu ihrer Domäne machten und sich zunächst einen hohen Grad von Treffsicherheit in der Komposition
ihrer „nachempfundenen" Gebäude erarbeiteten. Und wenn es manchmal den Anschein hat, als ob fremde
Vorbilder „nur" nachgeahmt wären, z. B. die Villa Lenbach, so müßte einen doch die Masse miß«
lungener Nachahmungen stutzig machen und das Geleistete in seiner Bedeutung erkennen lassen. Man
muß einer Sache innerlich gewachsen sein, um sie begreifen und nacherleben zu können. Jetzt erst
kam man von der schülerhaften Überschätzung der Einzelform zurück und vermochte sich derGrund«
gesetze der künstlerischen Gestaltung wieder zu bedienen. Und damit trat ganz von selbst jener un-
bewußte Weiterentwicklungsprozeß ein, der immer einsetzt, wenn ein wirklicher Anschluß

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