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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Heilmeyer, Alexander: Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0116
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AUG. VOIT.

FRANZ VON SEITZ. Gem. v. Lenbach.

Handwerker in den Verein, sondern, was damals noch sehr schwierig war — auch die Künstler. Dyck,
Schwind, Neureuther, betätigten sich, durch ihn angeregt, kunstgewerblich.

Voit erscheint erst als der Rufer in der Wüste. Aber schon zwei Dezennien später ersteht ein anderer,
der erfüllte, was jener erstrebte. Ein Mann von altem Schrot und Korn, einer der in seiner Person
Handwerk und Kunst vereinte. Ferdinand von Millers Bild erinnert an die alten Zunftmeister
in den Reichsstädten, die auch als politische Führer, und wenn es nottat, in kriegerischenVerwicklungen,
auch als Hauptleute ihres Fähnleins hervortraten. Sein Leben, das aus dem Schöße einer ländlichen
Familie hervorging und von kleinen Anfängen stetig zur Höhe führte, erzählt in köstlicher Weise sein
Sohn Fritz von Miller. Man kann daraus lernen, wie man mit Charakter, Verstand und guten Talenten,
Fleiß und Arbeitskraft bedeutende Leistungen und eine hohe Lebensstellung erringt. Dieses Büchlein
gehört als Geschenkgabe in die Hand jedes Lehrlings, der im Kunstgewerbeverein freigesprochen wird,
denn es besitzt erzieherische Bedeutung.

In Ferdinand von Miller waren mit einem spezifisch süddeutschen Einschlag alle jene Eigenschaften
lebendig wirksam, die von vorneherein den Erfolg sichern. Miller, viele Jahre Vorstand und Ehrenvor*
sitzender des Bayerischen Kunstgewerbevereins, baute ihn aus, er gab dem Verein nach Innen und Außen
das Gepräge, das er im großen Ganzen heute noch besitzt. Miller war auch der Vater des Gedankens
und der tatkräftige Verwirklicher der „Allgemeinen Deutschen Kunst» und Kunstgewerbe * Aus»
Stellung 1876".

Miller erscheint als der geborene Führer, wie ihn das Münchner Kunstleben braucht. Und Miller
stand nicht allein. Nach einem Gesetze polarer Anziehung der Geister, sammelten sich um ihn bald
eine Fülle von Kräften und Talenten.

Wir lernen sie am besten kennen, wenn wir einen Blick in das intimere Vereinsleben tun. Was sitzen
in dieser Zeit einer triebhaft gärenden Bewegung, in der alle Kräfte in Fluß kamen, in der alles
noch im Werden lag, für prächtige Männer* und Künstlergestalten an der Tafelrunde des Vereins:
Obenan ein lebensprühender Künstlerkopf, den Jahren nach bald ein Greis, im Herzen noch ein Jüng*
ling — Franz von Seitz. Zeit seines Lebens kämpfte er für das Ideal, für die Erkenntnis des un»
schätzbaren Erbes: „Unserer Väter Werke"! Ihm gebührt das Verdienst, daß das geringgeschätzte
Kunstgewerbe wieder in sein volles Heimatrecht im Haus der Kunst eingesetzt wurde. Überall suchte
er ihm Eingang zu verschaffen, indem er mit seinen Schöpfungen Freude am Schönen erweckte. Seitz
eignete im vollen Maße das Talent des Gelegenheitsdichters, das Goethe so hoch schätzte.

Als Künstler und Mensch eine durchaus einheitlich gerichtete, harmonische Erscheinung, stellt er
in seiner Tätigkeit einen Künstlertypus von unglaublicher Vielseitigkeit dar. Der prächtige Mensch
Franz von Seitz ist nicht besser zu charakterisieren als er es selbst getan hat. Nur dürfen wir ihn nicht
ganz so ironisch nehmen, wie der Meister mit sich selber verfuhr, sondern den fröhlichen Spruch cum
grano salis verstehen.

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