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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Heilmeyer, Alexander: Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0117
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FERDINAND VON MILLER.

„Ein Maler in Öl und in Wasser und Glas,
Trink Bier aus den Flaschen, sowie auch vom Faß,
Ein Jäger und Fischer und Dekorateur,
Dann Dichter und Sänger und Compositeur.
Ein Kostümier und dann auch Lithograph
Und koche mitunter, so sagt man, sehr brav.
Ein Bildhauer, Schneider und als Fabrikant
Von Albums und künstlerischer Becher bekannt,
Treib' Archäologie, dann schwimm' ich sehr gut

Und politisiere wie's keiner mehr tut.
Mach Pläne, Modelle verschiedener Art,
Und Abends tarocke ich dann mit der Kart',
Doch leider bin ich nur als Dilettant
In all' diesen Sachen den Leuten bekannt.
Nur eines noch bin ich, das weiß ich gewiß,
Daß Keiner ein besserer Meister d'rin i's —
Dein Freund bin ich ehrlich, ganz offen und wahr,
Und das lernt' ich am leichtesten — sonderbar!"

Neben ihm erscheint sein „guter Kamerad" in genialer Lässigkeit mit dem Hut im Nacken, die
unvermeidliche Virginia zwischen den'Zähnen — Lorenz Gedon! Sein Leben währte kaum 40Jahre.
Aus der Enge kleinbürgerlicher Verhältnisse aufstrebend, hat er die kurze Spanne seiner Künstler»
Laufbahn am Münchner Kunsthimmel wie ein Meteor durchmessen. — Es war etwas von einer Rakete
in seinem Temperament, ein zischender Blitz, ein grollender Donner und ein märchenhaftes Auf*
leuchten und Funkeln.

Schon aus seiner Jugendzeit wird berichtet, daß in ihm ein ungezügelt Feuer brannte. Gelernter
Schreiner, Holzschnitzer und Antiquitätenrestaurator, wurde er ein leidenschaftlicher Liebhaber und
Sammler alter Kunst. Immer schon eine Nase lang voraus, war er schon in der Renaissance, während
die andern noch in ihren gotischen Ohrenstühlen schliefen. — War die Renaissance da, bewegte sich
Gedon schon munter im Barock und Rokoko. So blieb er immer anregend und führend. Sammeln und
Lernen, Erhalten und Schaffen, gingen bei ihm Hand in Hand. Bildhauer, Maler und Architekt, der
Schöpfer zahlreicher intimer Innenräume, Ausstellungen und Bauten, gab er dem Kunstgewerbe eine
Fülle von Anregungen und Möglichkeiten zu seiner Entfaltung. Auf der Ausstellung 1876, wo er mit
Franz und Rudolf Seitz zusammen die Abteilung „Unserer Väter Werke" einrichtete, stellte er sein
Ideal sichtbar vor aller Augen auf und begründete mit das Münchener intime, stimmungsvolle Kunst«
gewerbe, das bald alle Welt entzückte und eroberte.

Der geborene Improvisator und Gelegenheitsdichter, wie Franz von Seitz, voll sprudelnder, immer
quellender Einfälle, war er der Schöpfer jener märchenhaft schönen Künstlerfeste, von denen wir heute
noch träumen.

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