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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Heilmeyer, Alexander: Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0118
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RUDOLF VON SEITZ. Rad. von Hecht. LORENZ GEDON. Gemälde von Lenbach.

Ein prachtvolles, lebensprühendes, hinreißendes Temperament, begründete er mit die Künstlerge*
Seilschaft „Allotria" und war eines ihrer fröhlichsten und anziehendsten Mitglieder. Gesteht doch selbst
der wesentlich kühlere Wilhelm Busch; „Heil jeder Stunde, die ich mit dir verzecht!"

Der geborene Kunst*Agitator und Revolutionär, rannte er wie der erhabene Don Quichote gegen
alle offiziellen und nichtoffiziellen Windmühlen los — besonders, wenn ein geliebtes Altertum von
schnöder Habsucht oder Unverstand bedroht wurde. Zeitlebens hatten an ihm die Kunstphilister ihren
erklärten Gegner und aufrichtigen Ruhestörer. Wachen und Wecken war seine Aufgabe, die er glän*
zend erfüllte.

Gedon nahestehend, erscheint der jüngere Seitz. Rudolf von Seitz war nach einer treffenden
Charakteristik Fritz von Millers, „ein Künstler ganz besonderer Art, bei dem es nicht mit einer Auf*
zählung seiner Werke getan ist. Er verkörpert im Münchener Kunstleben eine Periode des Künstler*
tums sorglosester Jugendfreude, gemeinsamer Kunstbegeisterung, köstlicher Feste und idealen Verliebt*
seins in alles, was der Schönheit galt." Gedon nannte ihn eine Isis mit tausend Brüsten, die ins Unge*
messene gibt und beglückt und sein Freund Gabriel Seidl nennt ihn eine bevorzugte Natur, den geborenen
Künstler, ausgestattet mit einer unerschöpflichen Gestaltungsgabe, mit hoher Meisterschaft des Könnens.

Was er zusammen mit Seidl und Gedon auf der Ausstellung „Unserer Väter Werke" geschaffen,
wurde vorbildlich für alle Welt. Er schuf mit Gedon das Münchener Interieur und den Typ der
Münchner Künstlerfeste, die mit dem unvergeßlichen Schützenfest 1880 ihren Anfang nahmen. Mehr
als man gemeinhin weiß, hat er auch auf die Münchner Architektur eingewirkt und mit begründen
helfen, was man die Poesie süddeutscher Bauweise nennt. Daß gerade von diesem Künstler fort und
fort die fruchtbarsten Anregungen ausgingen, versteht sich. Wie ein Sämann hat er eine unermeßlich
reiche Saat auf allen Feldern ausgestreut, die überall aufging und den farbenreichen Frühling des
Kunstgewerbes einleitete.

Eng verbunden wie ein Zwillingsbruder ging mit ihm Gabriel von Seidl, der gemütvolle Lyriker
der Münchner Architektur durchs Leben. Der feine malerische Zug in Seidls Bauweise ist Seitz'scher
Einschlag. Was Seidl im besonderen auszeichnet, war nicht allein die geistreiche Improvisation und der
hochkultivierte Geschmack, sondern das tiefe Verwurzelt* und Verwachsensein mit dem Mutterboden.
Er beherrschte jede Stilart und schuf darin doch immer das der Situation und dem Bedürfnis des mo*
dernen Lebens Angemessene. So konnte er neben der St. Annakirche, die so romanisch „echt" ist, ein
völlig vorbildloses Neues im Deutschen Museum erstehen lassen. Seidl schuf das behagliche Münchner

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