Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

DOI Artikel:
Pechmann, Günther von: Ausstellung 1925 Bayerisches Kunsthandwerk
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0128
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wirken wird, wenn man längst nicht mehr sich daran
erinnert, welcher einzelne Künstler oder Handwerker
in der Ausstellung vertreten war: Dem bayerischen
Kunsthandwerk in seiner Gesamtheit wird die wer-
bende Kraft, die von dieser Ausstellung ausging, zu-
gute kommen. Eine Ergänzung wäre allerdings zu
wünschen: daß die bayerische
Möbelkunst, die schon aus
räumlichen Gründen in der
Ausstellung zu wenig vertre»
ten war, bald Gelegenheit er»
hält, ebenfalls in einer gewähl»
ten Sonderausstellung sich den
Verbrauchern zu zeigen. Ein
anderer wichtiger Zweig des
Kunsthandwerks, die Deko»
rationsmalerei, konnte aus aus»
stellungstechnischen Gründen
nicht zu Worte kommen ,■ sie
wird es sicherlich begrüßen,
wenn ihr die Wände des neuen
Ausstellungsgebäudes einmal
Gelegenheit geben, ihr Können
zu erproben.

Die Betonung des Einzel»
Stückes gab der Ausstellung
„Bayrisches Kunsthandwerk"
die besondere Note.EineForm
der Darbietung, die jedem Ge-
genstand viel Platz und Luft
gibt, die bis heute nur den Vor»
zug weniger Museen bildet,
war bei einem auf Propaganda
und Verkauf gerichteten Un»
ternehmen ein mutiger Ver-
such. Auf Anregung des Bau»
rats Gablonsky, der sich als
Vorsitzender des Arbeitsaus»
Schusses große Verdienste um
die Durchführung der Aus»
Stellung erworben hat, wurde
durch Architekt Prof. Oswald
Bieber ein meisterhafter Rah»
men für diese besondere Dar»
bietungsart geschaffen. Die

weißen Wände und Decken, der Bodenbelag aus Soln»
hofer Platten, die hohen Fenster mit reichlichem Licht-
einfall weisen auf die Bestimmung des Gebäudes hin.
Die Verbindung aller Räume durch terrakottaverkleidete
Türbogen gibt dem ganzen Haus Rhythmus und fest-
lichen Klang. Äußerlich ist der Bau überaus schlicht und
zurückhaltend/ die Forderung, den alten Gartenbe»

KERAM. WERKSTÄTTE HARLACHING

SCHUPPMANN

stand möglichst wenig zu schmälern, verbot jede größere
Ausdehnung. Nur ein provisorisches Gebäude war
ursprünglich geplant, doch muß man hoffen, daß sich
niemand finden wird, der die Entfernung des Ausstel»
lungsbaues fordert. Er ist eine wertvolle Bereicherung
der Ausstellungsmöglichkeiten in München und auch
seine städtebauliche Funktion
vor dem neuen Justizgebäude
vonThiersch läßt ihn, vom Bo-
tanischen Garten aus gesehen,
als ein wertvolles Zwischen»
glied zwischen der Gartenfläche
und dem Monumentalbau an
der Elisenstraße erscheinen.
Die Zuweisung jedes Aus»
Stellungssaales an einen ver-
antwortlich leitenden Künst»
ler hat sich auch hier bewährt.
Wenn auch gerade dieses Ver»
fahren unvermeidlich dazu
führt, daß manche Aussteller
nicht so zu Worte kommen, wie
es ihr persönliches Interesse sie
wünschen läßt, so bietet es doch
allein Gewähr dafür, daß jeder
Ausstellungsraum einen ein»
heitlichen künstlerischen Cha»
rakter aufweist. Man empfand
die Ausstellung als modern,
obwohl jene Dinge fehlten, die
als Erzeugnisse neuzeitlicher
Maschinentechnik am reinsten
den Stil der Gegenwart aus»
drüd^en. Man hat der Versu»
chung widerstanden, Vorbild»
liehe Maschinen»Erzeugnisse
aufzunehmen und unbeirrt an
dem Programm festgehalten,
das handwerklich bearbeitete
Einzelstück zu zeigen. Es ist
vonlebenswichtigerBedeutung
für das Kunsthandwerk un»
serer Zeit, daß die Erkenntnis
und das Gefühl für den we-
sentlichenUnterschied zwischen
maschinell erzeugten Massenartikeln und handgear»
betteten Einzelstüdten in weitere Verbraucherkreise
eindringt, und der Sinn der Verbraucher sich mehr als
bisher dem wirklichen Kunsthandwerk erschließt. Auch
die lebhafteste Freude an dem formvollendeten Ma-
schinenprodukt, das wir auf vielen Lebensgebieten der
Handarbeit vorziehen, darf nicht darüber hinweg»

Kachelofen

126
 
Annotationen