Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

DOI Artikel:
Kiener, Hans: Die Internationale Kunstgewerbe-Ausstellung in Paris 1925
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0146
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WIENER WERKSTÄTTEN

Gefäß von getriebenem Silber

Österreich. Schweden gibt in seinem reizvollen Pavillon
das Schema des antiken Tempels, aber in Verhältnissen,
in einer Rhythmisierung, daß man das Ganze als heitere,
leichte Dekoration empfindet und gar nicht an das ferne
Vorbild denkt. (Architekt Bergsten.) Das einfache Stu-
dierzimmer, in kühlem Blau gehalten von Karl Asphund,
das ist ein Raum kultiviert undschlicht, von wohltuender
Klarheit, ein Raum, in dem einem der Hauch ersprieß-
licher geistiger Arbeit entgegenweht. Und dann jene
Ecke im Pavillon nationale, mit demTisch und dem Stuhl
und dem repräsentativen Glasgefäß! (Bergsten.) Viel-
leicht empfindet man die spiralig aufsteigenden Tische
beine etwas zu dünn. Das Zusammenklingen der
aufsteigenden Kurven mit dem ruhigen Kreisen der
Tischplatte, das noch einmal wiederholt wird, in den
konzentrischen Kreisen des Glasgefäßes ist sehr schön.
Sehr anmutig ist auch das Zusammenstimmen der
Kurven des Stuhles. Schweden hat einen Saal den
Abbildungen seines neuen Stockholmer Stadthauses
gewidmet. Östberg ist in diesem Stadthaus ein sehr
glücklicher Wurf gelungen,- in selten feinfühliger Weise
sind Elemente der besten Tradition einem ganz neuen
Zusammenklang dienstbar gemacht. Die Massenwir-
kung ist ausgezeichnet. Die energische Wirkung der
Vertikale des Turmes bringt das Gelagerte der Bau-
masse erst zum Sprechen. Sehr fein ist, wie die Linien
des Turmes jene leise Kurvatur haben, die, ohne auf-
zufallen, dem Bau das Harte und Starre nimmt und
ihn anmutig und beschwingt macht. Sehr sdiön ist, wie
die Abfolge der Arkaden und Fensteröffnungen das
flimmernde Spiel der bewegten Wasserfläche aufneh-

men. In dem Festsaal geht die Abfolge der hohen, vom
Fußboden aufsteigenden Saalfenster in den großen
flachen Nischen trefflich zusammen mit der ruhigen
Abfolge der Dedcenbalken. Edel und schlicht in der
Form sind die schwedischen Gläser. Eine große An-
zahl der Gläser ist völlig glatt, also reine Form ohne
Ornament. Der Gedanke läßt sich nicht unterdrücken,
daß es mit der Ornamentlosigkeit an sich nicht getan
ist, sondern, daß der Nachdrude doch auf das „Wie"
dieser reinen Form zu legen ist. Obwohl die Möglich-
keiten der Formfindung eines Glases, einer Schale un-
endlich zahlreiche sind, so gibt es doch gewisse Typen
von Linien, die besonders geeignet scheinen, bloß durch
ihren Kontur Ausdruck eines wertvollen Seelischen zu
sein,-und darin liegt doch dasWesentliche: der energische
Aufstieg sittlichen Strebens, das Befreiende und Selbst-
bewußte klarer Artikulation, das gesättigte Ruhen kon-
zentrischer Kreise. Schöne Lösungen zeigen auch die
gravierten Gläser. Auch die schwedische Keramik ist
gut. Es ist ein Schuß Volkskunst spürbar. Es sind
kräftige, behaglidie und brauchbare Formen.

Dänemark wäre hier, wenn auch mit Abstand, an-
zuschließen. Bei Österreich ist wie bei Schweden die
Jahrhunderte alte feine geschmaddiche Schulung zu
spüren. Aber es geht mutiger ins Zeug, mit naiver, der
Wirkung sidierer Schaffensfreude. Der österreichische
Pavillon, dem das Prinzip eines Systems von Gängen
zugrundeliegt, ist in der Disposition der Flügel und
Höfe sicher gut, auch, wenn die gewählte Form der
horizontal gestreiften barocken Kommode etwas be-
fremdet (Josef Hoffmann). Auch der Salon, der Ruhe-

144
 
Annotationen