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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Kiener, Hans: Die Internationale Kunstgewerbe-Ausstellung in Paris 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0147
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räum, von Josef Hoffmann, lassen eine eigenartige und
sichere Weiterbildung englisch^deutscher Anregungen
erkennen. Reizvoll ist die kleine Gartenveranda von
Haertl. Das ist kultivierte Form und diarmante Wiener
Art im besten Sinne. Wie Schweden gibt auch Öster-
reich sehr gutes in den Künsten der Form, in Gläsern
und Keramiken : Gläser der Wiener Werkstätten, der
Firma Lobmeyer in Wien, der Alpglaswerke in Tirol
etc. Auch da wäre das Gleiche wie oben bei Schweden
zu wiederholen: reine und in ihrem Wie wertvolle mit
geistigen Werten geladene Form. Sehr schön, ungemein
frisch und unmittelbar empfunden ist ein in Silber ge-
triebener Becher. Es ist bezeichnend für österreichische
Art wie der Becher fußt auf dem dem Gefäß not-
wendigen kreisrunden Grundriß, wie er den Reiz der
Abfolge homolog verlaufender Grate in der Form und
dem farbigen Schimmer des edlen Materials auszukosten
weiß, und wie er in munterer Unbekümmertheit die
lustigen Spiralen der Henkel anklingen läßt. Von origU
neiler und energischer Form sind Keramiken derWiener
Werkstätten, Wieselthier, Herta Bucher, das grüne
Rößl von Powolny ,• von feiner, aber fast müder deka-
denter Grazie die schmalschultrige Schalenträgerin aus
der Schule Powolny. Auch die Tschechoslowakei gibt
in schönen Gläsern und Spitzen vielleicht ihr Bestes.
Das gleiche gilt von Italien, das unvergleichlich schöne
Glasschalen zeigt und dabei einen Pavillon in völlig
balkanisierter Renaissance. Der Weg, wie ein solcher
Mißgriff zustande kommt, istbemerkenswert: festhalten
an der alten Einzelform, aber Verleugnung der Kom-
positionsgesetze. Gerade umgekehrt könnte gute neue

Kunst erwachsen: durch Festhalten an den durch lange
Erfahrung gewonnenen Kompositionsgesetzen, aber
durch freies und legeres Weiterbilden der Einzelformen.

Eine Beobachtung, die mir wichtig scheint, ist, daß
es keine national streng geschiedenen Besonderheiten
gibt, sondern gewisse Stilrichtungen, an denen die ein-
zelnen Länder in verschiedenem Grade teilnehmen. Das
gilt nicht nur für den Jugendstil, das moderne Empire,
den englisch=deutschenWerkbundstil, das gilt auch für
die vierte Stilgruppe, die klar umrissen werden kann:
den holländischen Konstruktivismus. Das ist das Ar-
beiten mit asymmetrischen ineinandergeschobenen vöL
lig flachen Betonkuben, weitschattenden vorspringenden
Betonplatten, Betonterrassen, mit der ausgesprochenen
Tendenz des Gelagerten, großen und breiten Fenstern,
die mit Vorliebe in die Edten geschoben sind. Diesem
Stil liegt ein gesunder Kern zugrunde, insoferne ver-
sucht wird, die Möglichkeiten, die das Arbeiten mit
Eisen und Beton heute den Architekten gewährt, aus-
zuproben. Die neuen Möglichkeiten, besonders solche,
die den bisherigen Begriffen von künstlerischer, d. h.
sinnfällig gemachter Statik widersprechen, erfreuen sich
besonderer Beliebtheit. Es scheint so, als ob die rapide
Entwidmung der technischen Möglichkeiten den Ur-
hebern dieser Richtung <Oud> den Sinn genommen
hätte, daß eine Formfindimg deswegen, weil sie tech-
nisch möglich ist, doch noch nichr gut ist, sondern, daß
das Entscheidende eben erst in der Auswahl aus den
Möglichkeiten beschlossen liegt. Weitere Elemente die-
ses Stils liegen in der Vorliebe für das Spielen mit
Körpern der elementaren Mathematik. Das ist nichts

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