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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Jaskolla, Else: Eindrücke von der Pariser Ausstellung, ihrer Textil- und Schulabteilung im Besonderen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0154
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Geistes immer wieder in den Louvre, Cluny oder in die Parks von
Versailles flüchtete. Man mußte schon sehr suchen, um in dem
Tohuwabohu ab und zu mal einen weißen Raben zu entdecken.
Am einheitlichsten wirkte das Gesamtbild der Ausstellung am
Abend bei festlicher Beleuchtung, wenn die Wasserkünste auf der
Seine ihre farbigen Garben spieen, die Gebäude in tausend und
abertausend Flämmchen erstrahlten, die Pont Alexandre III. wie
eine Lichterkette, die zu beiden Seiten der Seine gelagerten Aus-
Stellungshallen in ein Ganzes zusammenschloß und der Eiffelturm
in seinen schwindelnden Ausmaßen in leuchtenden bizarren For-
men das ganze Bild überstrahlte. So gesehen und dazu in der
rechten Stimmung, war der Eindruck überwältigend —, aber bei
unbarmherzigem Tageslicht das, was man in Bayern mit „Krampf"
bezeichnet.

Zu den wenigen Ländern, welche mit Qualitätsarbeiten vertreten
waren, gehörten die nordischen Staaten, Österreich, Tschecho-
Slowakei, z. T. Polen, Frankreich soweit Mode und was damit
zusammenhängt, in Betracht kommt Wenn man die Architektur
auf der Ausstellung betrachtete, dann war da, wo diese erträglich
war, der deutsche Einschlag unverkennbar. Slillosigkeiten und
Verirrungen, wie z. B. der vergoldete Käfig „Pavillon du Prin-
temps", der wie eine geschmaddose Attrappe anmutete, der
Pavillon der Galerie Lafayette, der Ehrensaal im Grand Palais,
die Bebauung der Pont Alexandre III. etc., wären bei uns in
Deutschland bei derartigen Anlässen wohl unmöglich. Wohl zeig«
ten die Möbel in den französischen, englischen, belgischen und
sonstigen Abteilungen eine verschwenderische Fülle an herrlich-
stem Material und hervorragendem technischen Können, allein
in künstlerischer und geschmacklicher Beziehung standen sie weit
hinter unseren deutschen Erzeugnissen zurück, was natürlich nicht
ausschloß, daß mitunter auch ein gutes Stüde in dem Wust sich
fand. Ebenso war es in Bezug auf Goldschmiede- und Juwelier-
arbeiten. Die kirchliche Kunst war sehr spärlich und nicht nach-
ahmenswert vertreten, geradezu abschreckend wirkte ein Pavillon
mit Glasmalereien, vornehmlich kirchlichen Zwecken dienend. Man
fragt sich, wie solches anläßlich einer Ausstellung möglich ist in
einem Lande das einen Dom, wie Chartres, mit wohl einzig in
der Welt dastehenden Glasmalereien besitzt, denen ebenbürtig
die von St. Chapelle in Paris zur Seite stehen. Unerhört geschmack-
los war sowohl in seiner äußeren Gestalt wie seinen Erzeugnissen
der Pavillon der einst so berühmten Sevres-Porzellane. Keramik
war ganz grausig, ebenso Unedelmetall. Hier grassierte noch der
Jugendstil in bösesten Formen. Den Franzosen und Belgiern eben-
bürtig an Geschmacklosigkeiten war Italien, es übertraf diese noch
darin, besonders in Bezug auf Textilien. Beim Anschauen der
letzteren überfiel einem physische Übelkeit. Spanien und Holland
bewegten sich in ähnlichem Fahrwasser, England enttäuschte eben-
falls sehr und die Schweiz konnte sich nur zum Teil sehen lassen.
Was im allgemeinen von bildhauerischen Arbeiten zu sehen war,
war von einer unerträglichen Süßlichkeit und Pose und nur wenige
gute Plastiken waren zu sehen außerhalb des österreichischen
Pavillons und bei den nordischen Völkern. Abgesehen von seiner
Volkskunst zeigte der russische Pavillon bolschewistische Kunst
im wahren Sinne des Wortes, ganz besonders in seiner äußeren
Gestalt. Man dudete sich unwillkürlich beim Eintreten, weil man
das Gefühl hatte, daß das wie mit Blut angestrichene bolschewisti-
sche Kartenhaus über einem zusammenbrechen müsse und auf-
atmend flüchtete man immer wieder ins Wiener Cafe, um bei duf-
tendem Mokka mit Schlagobers, wie ihn nur die Wiener zuzu-
bereiten verstehen, „Vergessen" zu trinken.

Volkskunst war überall hervorragend vertreten, ganz gleich,
ob es sich um Rußland (Stidiereien), Polen (Hinterglasmalereien,

Teppiche), Italien (herrliche Korbflechtereien), China und Japan
mit ihren bekannten Erzeugnissen, um die nordischen Länder
oder primitive Völker handelte. Die Pavillons der letzteren boten
in ihrem farbenfrohen Bild mit ihren ganz prachtvollen primitiven
Erzeugnissen einen weitaus erfreulicheren Anblick, als die Fran-
zosen, Belgier, Italiener und verwandte Sippen.

Nach allem, was ich auf der Pariser Ausstellung gesehen habe,
ist es, vom künstlerischen Standpunkt betrachtet, bedauerlich, daß
Deutschland nicht vertreten war. Unser Pavillon im alten Bota-
nischen Garten in seiner Bescheidenheit hätte sich mit dem aller-
besten dort messen können. Er würde dort jedenfalls kein Aschen-
brödeldasein geführt und am Schluß kein Defizit zu verzeichnen
gehabt haben. Gewiß war auch in unserem Pavillon nicht alles
Gold was glänzt und in manchen Räumen kam einem ob der leeren
Wände, die nach Bekleidung schrieen, das Gähnen an. Es hätte
der Raumwirkung keinen Abbruch getan, wenn den Textilien ein
breiterer, ihnen gebührender Platz angewiesen worden wäre, wie
es überall anderswo in rechter Würdigung dieses so überaus
wichtigen und wohl umfangreichsten Gebietes des Kunsthand-
werks geschieht. Ich verweise auf die jüngste Nürnberger Aus-
stellung und Paris. Wenn die eigentlichen Vertreter der Textil-
kunst von der offiziellen Mitarbeit wie in München von vorn-
herein ausgeschaltet werden, dann ist das Endergebnis auf tex-
tilem Gebiet bei derartigen Anlässen zum mindesten ein ver-
schobenes. Abgesehen von diesen und anderen Mängeln hätte
aber der Münchener Pavillon in Paris mit Ehre bestanden. Eine
Einstellung im Bewußtsein unserer Überlegenheit auf kunst-
gewerblichem Gebiet wäre jedoch unserseits ganz verkehrt und
da man bekanntlich von seinen Feinden am meisten lernen kann,
so können wir gar nichts besseres tun, als alle Kräfte anspannen,
um fortzuschreiten, damit unsere Feinde uns wenigstens auf kul-
turellem Gebiet in großer Entfernung bleiben,- denn zweifellos
versucht Frankreich uns hier zu überholen.

Was die Textilien auf der Pariser Ausstellung betrifft, so stan-
den auch hier wieder die nordischen Staaten, Österreich, Tschecho-
slowakei und Frankreich mit seiner Modenschau an erster Stelle
und was davon zu sehen war, war zum größten Teil vorbildlich
zu bezeichnen. Freilich haben die nordischen Völker gerade auf
diesem Gebiet — weil auf ihrer Volkskunst aufbauend — leich-
teres Arbeiten als andere, aber daß sie eben nicht „modisch" ar-
beiten in einer ihnen wesensfremden Art, das hat ihnen letzten
Endes zu dem Erfolg verholfen, den sie nun auf der Ausstellung
über alle anderen Länder davontrugen. Ihre Erzeugnisse waren
jedoch absolut neuzeitlich empfunden und würden sich ohne wei-
teres in jede modernste Wohnungseinrichtung einfügen, ganz be-
sonders die ganz prachtvollen Teppiche, von denan auserlesene
Stüd<e in Kelimterhnik, Gobelin- und Noppenweberei zu sehen
waren. Hervorragend schön in Form und Farbe, mustergültig in
der Technik und materialgerecht. Auch Stidiereien waren bemer-
kenswert und in der Abteilung im Grand Palais konnte man sehr
gute Maschinenspitzen und Stoffe der schwedischen Industrie sehen.

In der Gegenüberstellung zum österreichischen Pavillon, von
dem ich trotz seiner weltberühmten Arbeiten (Gläser, Keramik,
Bücher, Silberarbeiten ausgezeichnet vertreten) enttäuscht war, ob
seiner vielen spielerischen Dinge, die fast das Gute erdrückten,
gebe ich den nordischen Textilien den Vorzug. Ganz vortrefflich
waren auch die Arbeiten der Tschechoslowakei und ihre Spitzen
waren auf der gesamten Ausstellung unübertroffen. Ganz beson-
ders schön war eine runde Decke in handgenähter Spitze — den
Tierkreis, Jahreszeiten und allegorische Figuren zeigend. Aber
auch ganz hervorragende Klöppelspitzen zeigten die Tschechen.
Frankreich und Belgien, die auf diesem Gebiet jahrhundertelang

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