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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1816

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https://doi.org/10.11588/diglit.14645#0038
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Nro. is.

K u n st - B l a t t.

Beschreibung der griechischen Marmore in Lord El-
gins Sammlung.

Nach Visconti.

Herr Hofrath Böttiger hat durch seine Anzeige *) von
der kürzlich in London bey Murray mit englischer Eleganz
erschienenen Schrift.' Lettre du Cher. Ant. Canova et deux
Memoires lus ä l’Inslitut royal de France sur les Ouvrages
de Sculpture dans la Collection de Mylord Comte d’Elgin
par 1c Clier. E. Q. Visconti, membre de la Classe des
beaux arts et de celle de l’histoire et de literature anci-

enne etc. gewiß alle Kunstfreunde so lüstern nach dem In-
halt derselben gemacht, daß uns jeder derselben cs dan-
kenwird, wenn wir ihm einstweilen einen gedrängten und
genauen Auszug mittheilen, bis das Werkchen selbst auch in
Deutschland sich verbreitet, oder in einer wohlverdienten Ue-
bersetzung zu lesen ist. Der vorausgeschickte Brief von
Canova an Lord Elgin steht hier nur als Schutz- und
Trutz-Wehr gegen alle Ungläubige, und mag zu seiner Zeit
in England gut und nöthig gewesen seyn; für uns ist er es
nicht mehr, da wir bereits wissen, wie fest und bestimmt
sich Canova über den Werth dieser Sammlung auch in
Deutschland ausgedrückt, und, mit aller Vorliebe für die
römischen Antiken, doch den Elgin'fchen Marmorn den
Vorzug eingeräumt hat.

Das schöne Memoire von Visconti sagt uns in sei-
nen Observations generales auch nichts besonders Neues;
wir gehen deswegen gleich zur Sache selbst über, und zwar
zur Beschreibung der herrlichen Ausbeute) die das Parthe-
non noch geliefert hat. **) Das Vorzüglichste davon, und

*) S. Morgenblatt 1816, Nro. 121. Beylage, Kunst-
blatt Nro. 6.

*°') Der Parthenon ober der große Minerva-Tempel, ganz
von weissem Marmor, zu den Zeiten des Pericles
erbaut, liegt ungefähr in der Mitte der Altstadt oder
nachherigen Veste (Acropolis), auf einem über die übri-
ge Stadt erhabenen Hügel, und gehörte zu den größte»
Zierden des weltberühmten Athens. Seine prächtige
Gestalt, die er durch die Baumeister Jctinus und
Callicrates erhielt, zog schon von weiter Ferne her
die Blicke des Reisenden auf sich: die edelste Ausstattung
verdankte er aber dem größten der Künstler, Phid ias,
der hier seine unsterblichen Gedanken in den lehrreichsten
Bildwerken, zum Muster für Jahrtausende, verkörpert
aufstellte.

Dieses Gebäude war ein längliches Viereck, außen
an den Säulen gemessen 221 Pariser Fuß lang und
94 breit, und ruhte auf z hohen Stufen oder Ab-
sagen, die ihm zur Unterlage dienten. Die Zahl der
freystehenden Säulen dorischer Ordnung, welche dasselbe

zugleich das Beste, was aus den Zeiten des höchsten Kunst-
flors aus uns gekommen ist, sind die Trümmer der
Statuen an den beyden Gibelfeldern; Leider
nichts als Trümmer! und doch so schön, daß sie auch in dieser
traurigen Gestalt die geübtesten und gründlichsten Kenner
zum Entzücken hinreissen. Seit Elgin sie von ihrem Stand-
punkt herabsteigen ließ, ist auf einmal der Streit gehoben, ob

von außen umgaben, belief sich auf 46, nämlich von vorne
anzusehen 8, von der Seite 17, jede von 32 Fuß Höhe
und 5 Fuß 8 Zoll Durchmesser; sie trugen ein sehr schö-
nes dorisches Gebalk, das ungefähr den dritten Theil
der Säulenhöhe hatte. Das Ganze deckte ein verflach-
tes Dach, welches vorn und hinten einen Gibel bil-
dete. Der Haupteingang zum Tempel war östlich, die
RückseiteTvestlich: auf der letzter« gelangte man zu dem
Opistodom oder Hintergebäude, wo der Tempelschatz und
die öffentlichen Gelder verwahrt wurden. Beyde Zu-
gänge sahen sich gleich, und jeder bildete einen dop-
pelten Porticns, oder einen Porticns und ein Vestivu-
lum, wovon das zweyte um einige Treppen erhöht und
wieder von 6 Säulen unterstützt war. Die Cella oder
der eigentliche Tempel soll, nach altern Nachrichten,
von Innen nicht minder schön und von zwey durch Säu-
len getragenen Galerien umgeben gewesen seyn. Zwr«
scheu den äußern Säulen und dem Einbau umgab ein
freyerGang das Ganze. Die Gibelfelder zierten die herr-
lichen Statuen, die oben beschrieben sind; die äußere
Wand des Einbaues aber umgürtete ein fortlaufender
Fries von Basreliefs. An der Außenseite prangte noch
das Gesims mit 92 Hautreliefs, die als viereckte Tafeln
(Metopen) zwischen den Triglyphen eingesetzt waren.

Von all dieser Herrlichkeit, wie sie vor 2200 Jahren
da stand, ist leider nicht viel mehr auf uns gekommen.
Der Tempel selbst ist eine schmähliche Ruine, welche we-
niger die Zeit und die Barbarey der später» Besitzer,
als unsre civilisirte W^lt anklagt. Im Jahr 1676 sahen
Reisende noch sehr viel: 1677 nach le R oi oder 1637
nach Visconti zerstörte aber eine venetianische Bom-
be bey der Belagerung durch den Pröveditore Morusi
eiuen großen Theil dieses Heiligthums. Sie muß ge-
rade in das Innere des Tempels gefallen seyn, gegen
den östlichen Eingang hin, und dort den ganzen Ein-
bau zerschmettert haben. Auch nahm sie auf der nördli-
chen Seite 5, und auf der südlichen 6 Säulen hinweg, so
wie 5 von dem östlichen Vestibulum. Höchst wahrscheut-
lich haben die Bilder in den Gibelfeldern durch diese
Erschütterung sehr viel gelitten. Der Sage nach bat
Morusi seinen Sieg benutzen und diese Bilder entfüh-
ren wollen, wozu an dem östlichen Feld der Anfang ge-
macht, der Versuch aber verunglückt, und die Bilder
beym Abnehmen zertrümmert worden sehen. So liesse
sich etwa der unersetzliche Verlust der 2 Hauptbilder au
dem östlichen Gibelfeld erklären, wenn sie nicht schon zu
No iutels Zeiten, der seine Zeichnungen doch früher
genommen Haben musste, gefehlt hatten.
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