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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Tilgners Mozartdenkmal für Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0007

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

wien köln
Heugasse 58. Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von e. a. seemann in leipzig, Gartenstr. 15. Berlin: w. h. kühl, Jägerstr. 73.

Neue Folge. HL Jahrgang. 1891/92. Nr. 1. 15. Oktober.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
.Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rnd. Mosse u. s. w. an.

TILGNERS MOZ ARTDENKMAL FÜR WIEN.

Die Leser wissen aus unseren Mitteilungen des
letzten Jahrganges, dass die Ausführung des Wiener
Mozartdenkmales nach wiederholten Wettbewer-
bungen endgültig den Händen Prof. Viktor Tilgners
anvertraut ist. Bei dem letzten Künstlerwettkampfe
hatte freilich Prof. Edmund Hellmer den ersten Preis
davon getragen, aber das große Denkmalkomitee
ging bekanntlich über diese Entscheidung der Jury
hinweg und erteilte dem zweiten Preisträger, Tilgner,
den Auftrag. Künstlerschaft und Kritik haben da-
mals gegen diesen Vorgang Einspruch erhoben und
auch wir mussten uns den Einwendungen anschließen:
sowohl aus prinzipiellen Gründen als weil uns na-
mentlich Hellmers Lösung der Aufgabe in den ent-
scheidenden Punkten glücklicher erschien als die-
jenige seines Mitbewerbers.

Nun hat Tilgner inzwischen sich ans Werk ge-
macht und das Hilfsmodell der Hauptfigur des Denk-
mals in etwa 3' Höhe sowie einen entsprechend
kleineren Entwurf des Ganzen hergestellt. Um es
kurz zu sagen, der Tilgnersche Mozart hat eine voll-
ständige Wandlung durchgemacht; er ist in Grund-
motiv und Haltung der Figur des großen Meisters
ein durchaus anderer geworden. Wir können
unsere künstlerischen Bedenken gegen die frühere
Skizze heute fallen lassen und dem Publikum
die erfreuliche Mitteilung machen, dass es in der
nunmehr, wie zu hoffen steht, unveränderlich blei-
benden Schöpfung Viktor Tilgners ein der großen
Aufgabe vollkommen entsprechendes Werk zu er-
warten hat. In Tilgners früherem Entwürfe war
der Tondichter neben einem Spinett stehend darge-

stellt, die rechte Hand erhoben mit empor gestreck-
tem Finger wie beim Horchen. Sowohl das Spinett
mit seinen ungünstig wirkeuden vier Füßen als auch
das genremäßige Motiv des erhobenen Zeigefingers
sind weggefallen: Mozart steht in leichter freier Be-
wegung da auf dem linken Fuße ruhend, den rechten
etwas zur Seite vorgesetzt und die rechte geöffnete
Hand wenig vorstreckend, das unbedeckte Haupt
leicht nach links bewegt und gehoben, während die
Linke nachlässig in den Heften eines zur Seite stehen-
den Notenständers blättert.

Es liegt etwas so Offenes, Lichtes, Freudiges in
der ganzen Gestalt, in Bewegung und Ausdruck des
Körpers wie des Antlitzes, dass jeder, der vor die
Figur tritt, unwillkürlich ausrufen muss: Das ist
Mozart, das ist der Schöpfer jener lieblichen, welt-
erobernden Musik, die Verkörperung reiner, genuss-
froher und edler Menschlichkeit! Wir unsererseits
legen dabei specielles Gewicht darauf zu sehen,
dass der Bildhauer den Tondichter als solchen nur
durch das beiläufige Attribut des Notenständers, nicht
durch ein besonders sprechendes plastisches Motiv
gekennzeichnet hat, wie es in seiner früheren Skizze
der Fall war. Der Monumentalplastik sind in dieser
Hinsicht gewisse Grenzen gezogen, ebenso wie der
Freskomalerei. — Es versteht sich von selbst, dass ein
Meister des Porträts, wie Tilgner, überdies die ganzen
Machtmittel individueller Charakteristik, über welche
er gebietet, im Kopf seines Mozart zur Geltung ge-
bracht hat. Wir sind überzeugt, einen vollkommen
porträtähnlichen Mozart vor uns zu haben, nicht nur
einen, der uns ideell befriedigt. Und in diesem Falle
; war dem Porträtdarsteller seine Sache um so schwerer
i gemacht, als die wenigen authentischen Bildnisse,
 
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