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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Seemann, Arthur: Die bösen Spanier: Epistola obscuri viri Coloniensis
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Haendcke, Berthold: Barthel Beham ist in St. Gallen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0105

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erscheint Lenbachs Thätigkeit als der Kunst eigent-
lich hinderlich; er hält durch seines Pinsels Kraft
die übrigen Pinsel zurück, ganz ähnlich, wie dies
mit dem Fürsten Bismarck war, dessen gewaltiger
Geist die anderen im Zaume hielt. Nun, das ist ja
nun vorbei; die Freiheit ist auch den kleineren Gei-
stern zurückgegeben. Die Zeit der Beunruhigungen,
die unter dem Fürsten Bismarck sich so vielfach
bemerklich machten, liegt hinter uns; nur auf dem
Gebiet der Kunst zeigen sich noch allerhand Be-
klemmungen. Von den Franzosen will ich gar nicht
reden, auch in der „inneren Malerei" wie in der in-
neren Politik zeigen sich häufig bedenkliche Sym-
ptome. Soll man vielleicht ruhig zusehen, wenn der
Ruhm eines Malers immer größer wird, wenn seine
Bilder immer höhere Preise erzielen, während die
Verdienste anderer im stillen bleiben? Nein und
abermals nein! Da thut Abhilfe not, das Koalitions-
recht werde auch auf dem Gebiete der Kunst zur
Waffe und führe die angemaßte Größe auf ihren
rechten Wert zurück! Kunstproletarier, sammelt
Euch! Freiheit der Maler, und Gleichheit der Bilder
und der Bilderpreise sei die Losung! NAUTILUS.

BARTHEL BEHAM IN ST. GALLEN.

Auf meiner letzten Studienreise durch die
Schweiz erfuhr ich in St. Gallen zufälligerweise,
dass sich in den Privatgemächern des Herrn Bischofs
von St. Gallen eine Anzahl älterer Bilder befänden.
Auf meine Bitte hin wurde mir die Erlaubnis, seine
Gemälde besichtigen zu dürfen, bereitwilligst erteilt.

Vor allen anderen Bildern werden zwei kleine
Flügelaltäre und zwei einzelne Tafeln jedermann
fesseln. Sie sind durch die Feinheit in der Auf-
fassung der Personen, durch Farbe, Komposition und
gute Erhaltung gleichermaßen anziehend.

Diese kleinen, ca. 60 cm hohen Altärchen sind,
der Form nach zu urteilen, für eine Hauskapelle
oder sonst einen kleinen kirchlichen Raum bestimmt
gewesen.

Auf dem einen sieht man im Mittelbilde die
Versuchung Christi: Im Vordergrund versucht Lder
Teufel den Heiland in der steinigen Wüste, im Mittel-
grunde auf der Spitze des Berges. Noch etwas tiefer
in das Bild ist die Taufe Jesu durch Johannes den
Täufer gerückt. Der Strom, in dessen Wassern der
Erlöser steht, fließt am Fuße eines niedrigen Hügels
vorbei, auf dessen Spitze zwei runde, mit flachen
Kuppeln gedeckte, offenbar italienische Bauten er-
richtet sind. Der Horizont wird begrenzt durch

zwei sich übereinander erhebende sanft geschwungene
Hügelketten.

Auf den Außenfiügeln sind St. Gallus und St.
Fridolin, auf den Innenfiügeln St. Erasmus und St.
Valentinus gemalt.

Das Mittelbild des zweiten Altares hat das
Abendmahl und die Fußwaschung Petri zum Vor-
wurf. Die letztere findet rechts ganz vorne im Vorder-
grunde statt. Der Heiland ist niedergekniet und hat
das Haupt erhoben, um Petrus, welcher erregt die
Rechte an den Kopf gelegt hat, die Antwort zu
geben.

Auf deu Außenseiten der Flügel sieht man die
ruhigen Gestalten des „Set. Achacius cum socio"; auf
den Innenseiten St. Anthonius und St. Conradus dar-
gestellt.

Von derselben Hand, welche diese Gemälde ge-
malt hat, sind auch die sogar im Format überein-
stimmenden kleinen Flügel mit dem St. Magnus und
St. Nicolaus (ob sie beidseitig bemalt sind, weiß ich
nicht, da ich sie nicht abhängen konnte. Nach
Analogie der andern dürfte dies aber anzunehmen
sein.)

Infolge des allgemeinen Eindrucks, welchen die
Bilder hervorrufen, wird man hinsichtlich des Ur-
hebers sofort an einen Schüler Dürers denken müssen.
An Einzelheiten sind anzumerken: die schlanken
Verhältnisse der Körper, die eher kleinen Köpfe mit
kurzen Gesichtern, das ziemlich kleine, oben ein
wenig zugespitzte Ohr, die vollen Hände, der knit-
terige, an seidene Gewänder gemahnende Faltenwurf,
das zarte, helle, ins Rosa fallende Inkarnat mit grau-
blauen Schatten, die buntschillernden Gewänder, die
dunkelblau gefärbte Landschaft und die mit flachen
Kuppeln gedeckten italienischen Gebäude.

Der Ausdruck der Köpfe ist lebendig und wahr.
Die Bewegungen und die Haltung der Dargestellten
sind einfach und sprechend.

Nach einigem Hin- und Herüberlegen, wer wohl
diese so klar ausgesprochene Künstlernatur sein
könne, verfiel ich auf Barthel Beham. Und zwar
dachte ich an seine späteren Werke. Da ich aber,
mit anderen Arbeiten beschäftigt, seit Jahren den
Bildern dieses Künstlers keine eingehende Aufmerk-
samkeit geschenkt hatte, misstraute ich meinem
Auge und sandte eine kleine, unter ungünstigen
Verhältnissen hergestellte, aber genügend scharfe
Photographie an L. Scheibler. Derselbe antwortete
mir, dass er „bei genauerer Betrachtung auch auf
Barthel Beham geraten und diese letztere Vermutung
durch Vergleichung mit Photographien nach Beham
 
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