Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

DOI Artikel:
Tilgners Mozartdenkmal für Wien
DOI Artikel:
Vollbehr, Th.: Kunstausstellung in Nürnberg, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0008

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3

Kunstausstellung in Nürnberg.

4

die wir von Mozart besitzen, denselben nur in Profil
oder Dreiviertelprofil darstellen, so dass der Bild-
hauer den Kopf in der Vorderansicht so gut wie
frei komponiren musste. Es ist dies Tilgner vor-
trefflich gelungen und mit gleich sicherem Takt hat
er das Zeitkostüm in Tracht und Beiwerk zu treffen
gewnsst. Es ist vorherrschend Stil Louis XVI. mit
leichtem Anflug von Rokoko.

Dasselbe gilt von dem geistvoll erdachten Piede-
stal, das schon in Tilgners Konkurrenzentwurf' einen
Glanzpunkt der Komposition ausmachte. Köstlich
erfundene Gruppen neckischer Kindergestalten, pla-
stische Gebilde rhythmisch dahinwogender Phantasie,
umspielen dasselbe zu beiden Seiten, während vorne
auf den Stufen eine von Lorbeer umrahmte Lyra liegt.

Nur ein Bedenken wird wahrscheinlich auch in
dem Leser, wenn er diese andeutende Beschreibung
liest und die bestehenden Beschlüsse des Komitees
kennt, wie in uns, aufsteigen: das Bedenken gegen den
gewählten Platz! Man beabsichtigt bekanntlich, die
Mozartstatue auf den Albrechtsplatz zu stellen,' einen
der unruhigsten Plätze Wiens, der von sechs Straßen
durchschnitten, ganz unregelmäßig ist und überdies
an seiner einzig zur Verfügung stehenden rechten
Seite gar keinen würdigen Hintergrund für eine
solche Schöpfung bildet. In mäßiger Entfernung
rechts ein Seidengeschäft, links eine Bierwirtschaft
und dazwischen die Tafel eines Wiener Zahnarztes,
auf welcher in großen goldenen Lettern die Stunden
von dessen wenig musikalischen Exercitien ver-
zeichnet stehen: ist das die Perspektive, vor welche
man den Beschauer eines derartigen plastischen Ge-
bildes führen soll? Professor Hellmer hatte mit Rück-
sicht auf die ungünstige Situation eine Säulenhalle
komponirt, vor die er seinen Mozart setzen wollte,
um ihn architektonisch und geistig vor der Prosa
der Umgebung zu retten.' Indem Tilgner seine Ge-
stalt isolirt auf seinen von Genien umspielten Sockel
stellte, hat er dem Komitee einen Wink gegeben,
einen anderen würdigeren Platz für seine reizvolle
Schöpfung zu suchen. Und wir meinen, dass dieser
sich leicht in einem der prächtigen Parks und Stadt-
gärten Wiens finden lassen dürfte, in denen auch
Schubert und Grillparzer ihre Aufstellungsorte ge-
funden haben. Schon der strahlende weiße Lauser-
marmor, in welchem Tilgner die Mozartstatue aus-
zuführen gedenkt, vor allem aber der ganze Charakter
seines Werkes, das von feinem, rhythmisch bewegtem
Geist erfüllt ist, rufen nach einer anmutigen in
Blumenflor und Grün getauchten Umgebung. G. v. L.

KUNSTAUSSTELLUNG IN NÜRNBERG.

Es gehörte ein gewisser Mut dazu, in einer
Stadt wie Nürnberg, die auf Schritt und Tritt an
die stolzesten Zeiten der deutschen Kunstgeschichte
erinnert, eine Ausstellung zu veranstalten, die das
moderne Künstlertum Nürnbergs repräsentiren sollte.
Man konnte zweifelhaft sein, ob das Heute nicht
unter der Erinnerung an das große Einst leiden und
ob nicht auch das künstlerisch schaffende Neu-Nürn-
berg neben den großen heutigen Kunstmittelpunkten
eine gar zu unbedeutende Rolle spielen würde. Die
Ausstellung selbst hat gezeigt, dass alle diese Be-
denken ungerechtfertigt waren.

Die „Kunstausstellung von Werken Nürnberger
Künstler der neueren Zeit" giebt in ihrem stattlichen
Bestände von 790 Nummern ein imponirendes Bild
von der lebendigen Schaffensfreude der ausstellenden
Künstlergemeinde und lässt gleichzeitig einen inter-
essanten Einblick in den Charakter der neueren deut-
schen Kunst thun.

Wenn man bedenkt, dass der Begriff „Nürn-
berger Künstler" von der veranstaltenden Gesell-
schaft „Künstlerklause" sehr weit gefasst worden ist
und dass zu denselben nach den Worten des Kata-
logs alle diejenigen Künstler gehören, die »hier ge-
boren sind oder hier ihre Thätigkeit entfaltet haben",
so wird man sich nicht darüber wundern, wenn man
von einer spezifisch nürnbergischen Kunst in Bezug
auf die Ausstellung nicht eigentlich sprechen kann.

Es sind in derselben Künstler vertreten, die sich
längst das Heimatsrecht in führenden Kunststädten
erworben haben. Und doch will uns scheinen, als
trügen die sämtlichen Werke der Ausstellung ver-
wandte Züge, als zeigten sie eine gewisse Familien-
ähnlichkeit.

Es ist nicht wohl möglich, das Wesen dieser
geistigen Zusammengehörigkeit mit einem Schlag-
worte zu treffen, da dasselbe im Grunde genommen
einen negativen Charakter hat. Es fehlt nämlich in
diesen Kunstwerken alles Uberschäumende, Barocke,
Aufsehen Erregende; man wird sich vergeblich nach
Arbeiten umsehen, die hitzige Kontroversen hervor-
rufen, man findet keine ästhetischen Ungeheuer-
lichkeiten, man findet aber auch keine künstlerischen
Offenbarungen, mit einem Worte: es fehlen die
„Schlager". Der Luftzug der neuen Zeit ist auch
bis zu den Künstlern Nürnbergs gedrungen, aber
in den schmalen Winkelgassen und zwischen den
hohen Giebeldächern hat sich seine Kraft ge-
brochen, er ist ein freundliches Windchen geworden,
 
Annotationen