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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Vollbehr, Th.: Kunstausstellung in Nürnberg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0016

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Kunstansstellung in Nürnberg.

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und weibliche Porträts, dass er im gegebenen Falle
auch ohne Schminke zu malen wusste.

Unter den Porträtisten, die auf der Nürn-
berger Ausstellung vertreten sind, gebührt zweifellos
F. A. v. Kaulbach die erste Stelle. Sein „Damen-
porträt" ist von einer Delikatesse in der Ausfüh-
rung wie in der Auffassung, die kaum zu über-
treffen sein dürfte. Der natürliche Adel weiblicher
Schönheit ist zur ungezwungensten, anmutigsten
Darstellung gebracht. Auch die herbe Anmut des
jungen Mädchens („Studienkopf") weiß er meisterhaft
zu verkörpern, überall sich als treffsicheren Inter-
preten des weiblichen Gemütes bewährend.

Edm. Harburger, der treffliche Humorist, zeigt
sich in einem markigen Selbstporträt als ungemein wir-
kungsvoller Bildnismaler; auch Ant. Seitz, H. Stelzner
und J. L. Raab verdienen warme Anerkennung.
Unter den in Nürnberg ansäßigen Porträtisten mögen
erwähnt werden: Karl Fleischmcmn und A. Schöner,
ersterer ein feiner Kenner und Schilderer sinnender,
gemütlich vertiefter Weiblichkeit, letzterer ein gar
zu zuversichtlich nach den Lorbeeren eines Lenbach
greifender Anfänger von schönem Talent.

Eine verhältnismäßig große Reihe tüchtiger
Porträtisten finden wir unter den Bildhauern. Unter
ihnen ragt Joh. Götz durch den sprechenden Realis-
mus der Auffassung hervor. Von individuellster
Beseelung und Charakterisirung sind Joh. Rößners
Porträtbüsten; auch die Köpfe A. Muschwecks und
Gieseckes lassen in ihrer Lebendigkeit des Ausdrucks
keinen Zweifel an der Porträtähnlichkeit zu.

Uberhaupt feiert der gemäßigte Naturalismus,
das Streben nach Wahrhaftigkeit, nach frischer
Natürlichkeit bei freundlich-anspruchslosen Vorwürfen
in den ausgestellten Bildwerken hübsche Triumphe.
Vor manchen anderen sind hier Fritz Zadoiv und
Joh. Götz zu nennen. Zadows Schusterjungen, Fischer-
knaben, Ballschläger besitzen einen so frischen, fröh-
lichen Humor, wie man ihn in der Plastik kaum
zu finden erwartet; und Götz' balancirender Knabe
schlägt der ganzen Ästhetik seit Lessing so keck
und neckisch ins Gesicht, dass auch der wasch-
echteste Ästhetiker ihm nicht zürnen kann.

Dieser fröhliche Naturalismus hat auch Pate
gestanden bei dem Zadowschen Modell eines Spring-
brunnens. Die stilvoll gelagerten Najaden und Tri-
tonen, die man sonst mit Vorliebe verwandte, wenn
der Brunnen lediglich Dekorationsstück sein sollte,
haben sich hier in nackte, spielende Kinder ver-
wandelt: zwei werdende Backfische werden von einem
kecken Knaben gehörig nass gespritzt, kleine Buben

klettern in possierlichem Ungeschick auf dem schlüpfe-
rigen Rande der Brunnenschale umher. Motiv wie
Ausführung zeigen den kühnen, aber bei aller Kühn-
heit doch geschmackvollen Dekorations - Plastiker.
Eine monumentale Wirkung beabsichtigt er gar
nicht zu erzielen. Der Brunnen ist für eine garten-
artige Anlage inmitten eines großen Platzes gedacht.
Dort, zwischen Blumen und heiterem Laubgrün, ist
er durchaus angebracht; zwischen hohen, ernsten
Häusern, inmitten lebendigen Verkehrs würde ein
Brunnen nach den Entwürfen Prof. Wanderers weit
mehr am Platze sein. Sein „Kunstbrunnen in Er-
langen" hebt sich ebenso wie sein „ Kunstbrunnen
für den Plärrer in Nürnberg" von den sonstigen
ausgestellten Brunnenentwürfen durch den vornehmen
Idealismus der angebrachten Figuren und durch die
charakteristische Eleganz des Aufbaues bedeutsam
hervor, während der „Romanische Brunnen" von
Jos. Schmitz und das barocke Brunnenmodell Jos.
v. Kramers treffliche Beispiele des hervorragenden
Talentes der beiden Künstler sind, sich in das künst-
lerische Empfinden einer vergangenen Zeit hinein-
zuleben.

Mit weniger Strenge pflegen diejenigen Künstler
zu verfahren, die der Antike zu folgen streben. Die
klassischen Bezeichnungen einer Reihe ausgestellter
Skulpturen sind wohl wesentlich deshalb gewählt,
um die Darstellung des nackten Körpers zu motiviren.
Denn sonderlich „klassisch empfunden'' scheinen uns
weder Gust. Eberleins anmutig-moderne Figuren und
Gruppen noch Joh. Births formschöne Mädchen-
gestalten, der Arbeiten anderer Künstler ganz zu
geschweigen. Und wir halten dies keineswegs für
einen Nachteil. Die Antike ist Hirth ebenso wie
Eberlein eine treffliche Lehrmeisterin gewesen, aber

— ein Beweis für die Trefflichkeit der Erziehung
und zugleich für die gesunde Tüchtigkeit der Schüler

— sie hat ihnen nichts von dem modernen Em-
pfinden, von der Zusammengehörigkeit mit ihrer Zeit
geraubt. Eberleins „Weinendes Mädchen" steht an
bestrickendem Formenreiz auf griechischer Höhe,
ist aber in dem Motiv und in dem sicheren Naturalis-
mus des Details durchaus ein Kind des 19. Jahr-
hunderts. So anerkennenswerte Leistungen auf dem
Gebiete der Plastik auch von anderen ausstellenden
Meistern — außer den schon Genannten sei Joh. Rößner
besonders hervorgehoben — zu verzeichnen sind,
wir meinen doch dem Eberleinschen Mädchen die
Palme reichen zu müssen. Eine so lebendige Be-
seelung eines wunderbar schönen Körpers, eine
solch' ideale Verschmelzung warmer Empfindung und
 
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