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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0075

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Vom Christmarkt.

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Augen der Kinder berechnet; nur wenige dürften
im stände sein, das fleckige Durcheinander auf
Seite 25 mit dem Gedichte „Das
Dorf in Beziehung zu setzen; die
„impressionistische Freilichtmalerei"
lässt kaum erkennen, ob Sommer
oder Winter herrscht. Wieviel davon
auf Rechnung des Farbendrucks zu
setzen ist, lässt sich natürlich ohne
Einblick in das Original schwer fest-
stellen. — Ein echtes und rechtes
Bilderbuch, das seine Stoffe dem
„vollen Menschenleben" entnimmt, ist
J. Kleinmichels Die Welt vom Fenster
aus1). Die bunten Bilder wären auch
ohne die gereimten Erläuterungen
vollkommen verständlich: wohl das
beste Lob für die Gestaltungskraft
des schaffenden Künstlers. Die Ge-
schichte vom kleinen Liesehen, das
sichs den Fuß verstaucht hat und
darum das Zimmer hüten muss, ist
gar sinnig eingefädelt und entbehrt
auch nicht des entscheidenden Wen-
depunktes, dem zu liebe sich die
ganze Fülle der Erscheinungen hier
einstellt, wie sie das bunte Treiben
der Straße bietet. Die Umrisse, na-
mentlich aber die Schatten sind zwar
weniger zart ausgeführt, als man es
sonst von Kleinmichel gewöhnt ist,'
indes hat die flotte Behandlung in
keiner Weise den Eindruck seiner
Bilder abzuschwächen vermocht, viel-
mehr scheint es, als. hätten sie an
Unmittelbarkeit gewonnen und ließen
durch die scheinbar flüchtigen Feder-
züge das Muskelspiel der Gesichter
zu kräftigerem Ausdruck gelangen.
An Reichhaltigkeit lässt das Buch
sicher nichts zu wünschen übrig: mit
freundlichen Szenen in Garten und
Haus („die belagerte Treppe", „der
Briefträger") wechseln fröhliche Pos-
sen („der Schornsteinfeger und der
Bäcker", „der entwischte Hahn") unter-
haltend ab. — Humoristisch-satirische
Blätter haben des öfteren schon den
Versuch gezeigt, im menschlichen Antlitze aus-

geprägte Formen von Tiergesichtern zu entdecken
und die Gattung des Homo sapiens in Vogel-, Affen-

2) Breslau, Wiskott, geb. M. 5.

u. a. Gesichter einzuteilen. So treffend in einzelnen
Fällen Vergleich und Deutung ausfiel: im Bilde
wirkte die Verzerrung meist unschön. Weit lohnen-
 
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