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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Ein neues Buch, ein neuer Verein, eine neue Zeitschrift, ein neues Gebiet der Sammelwut
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Büchersohau.

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nicht mehr dauern. Denn ohne Zweifel wird, wie
das so geht, infolge der Gründung des Vereins, die
rabies gewisse Kreise ergreifen, man wird alle alten
Bücherlager durchwühlen, aus allen alten Scharteken
die Zettel, die bis dahin friedlich in den Innenseiten
der Deckel geklebt haben, erbarmungslos heraus-
reißen — wogegen Warnecke übrigens mit Recht
protestirt — und einen schwungvollen Handel damit
treiben und alle „nicht im Warnecke" stehenden
Blätter zu hohen Preisen treiben, und eines schönen
Tages sind die Quellen versiegt, wie das Bächlein,
wenn der Berg entwaldet ist.

Für diese Sammler ist nun das Warneckesche
Buch ein trefflicher Führer und Ratgeber. Die Ein-

fleucht, werden herhalten müssen, um die wichtige
Thatsache auf die Nachwelt zu bringen, dass Gott-
hold Walram Isidor Meyer den zehnten Band von
Engelhorns Novellenschatz — broschirt ä 50 Pf., ge-
bunden 1 Mark — im Jahre des Heils 1892 im Be-
sitz gehabt hat. Ja, meine Herren Ex libris-Freunde

— da liegt nämlich der Hund begraben!

Die Verwendung eines Bücherzeichens ist näm-
lich keine so ganz gleichgültige Sache: sie setzt vor-
aus, dass derjenige, der es führt, eine wirkliche Bib-
liothek besitzt, eine Büchersammlung, die einen ge-
wissen Wert und Charakter hat, dass diese Biblio-
thek gut gehalten und anständig eingebunden ist

— überhaupt den Anforderungen entspricht, die die

Aus Waenecke, die deutschen Bücherzeichen.

leitung orientirt über die Geschichte der Buchzei-
chen, von denen im Hauptteil des Werkes über
2500 in präziser Form beschrieben werden unter
alphabetischer Anordnung der Besitzernamen mit
Beifügung der Zeichner, Stecher und Formschneider,
zu deren Auffindung am Schluss ein Register ver-
hilft. Eine größere Anzahl Illustrationen im Text
und 26 Tafeln mit den charakteristischsten und sel-
tensten Ex libris geben auch in Abbildung eine ge-
lungene Übersicht über die Entwickelung derselben.

Dass sich ein jeder echte, in der Wolle gefärbte Ex
libris-Mann ein eigenes Bücherzeichen anschafft, ist
eine selbstverständliche Voraussetzung: ein weites
Spiel der Phantasie ist hier dem Bücherfreunde ge-
boten: Heraldik und Mythologie, Allegorie, Symbo-
lik, Embleme und alles Getier, was da kreucht und

moderne Bibliothekswissenschaft und der gute Ge-
schmack an ein solches Institut stellt: sonst ist das
Ganze eine Spielerei. Dass dies nicht immer, ja viel-
leicht meist nicht der Fall ist, sei Gott geklagt.
Ich habe in meiner Bibliothek — die ohne ein ei-
genes Ex libris ganz wohl gedeiht — sogar eine An-
zahl antiquarisch gekaufter Broschüren, in deren
Papierumschlag Ex libris kleben. Bekanntlich wer-
den in Deutschland zwar viele Bücher gedruckt, aber
wenig gekauft; außer den Modepoeten, die Weih-
nachten ihr obligates opus auf dem Markt abladen,
gelangt an litterarischen Erzeugnissen wenig in
Privatbibliotheken; man holt sich das geistige
Futter aus den Leihbibliotheken. Die großen ver-
dienstvollen, für die gebildeten Kreise berechneten
Publikationen auf dem Gebiet der Geschichte, Litte-
 
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