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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Osius, K.: Die Kunstsammlungen in Woerlitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0128

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an, ein in guten Verhältnissen ausgeführter massiver
Bau von Erdmannsdorf, vollendet 1773, dessen stolze
Vorhalle mit vier mächtigen korinthischen Säulen
von der vom Herzog Franz verfassten Inschrift ge-
krönt ist:

„Liebe und Freundschaft haben es gebaut,
Einigkeit und Ruhe mögen es bewohnen, so wer-
den häusliche Freuden nicht fehlen."

Gute Abgüsse bedeutender Antiken füllen den
Vorsaal, dessen Wände von Temperabildern, antiken
Opferscenen, bedeckt sind; die hieran sich schließen-
den hellen und vornehmen Räume bieten des Inter-
essanten sehr viel. Zunächst der große Saal. Wir
sehen hier die großen Fresken des Annibale Carracci
im Palazzo Farnese, wenn auch nur in Kopien, so
doch trefflich wiedergegeben, an den Wandflächen
Polyphem und Galatea, Cephalus von Aurora ent-
führt, den Triumph der Galatea, an der Decke den
Siegeszug des Bacchus und der Ariadne. Gute Nach-
bildungen hervorragender Antiken bedecken die
Marmorkamine; unter denselben stehen aber auch
zwei kostbare antike Originalporträtköpfe, Marc
Aurel und der finster und kalt blickende Lucius
Veras; im Nebenzimmer ein kolossaler weiblicher
Kopf aus weißem Marmor, eine ebenfalls echte und
wenig restaurirte Antike. Auch das Bibliothekzimmer
enthält wertvolle Antiken; die große Göttermutter
Cybele mit der Mauerkrone, die verwundete Ama-
zone und eine herrliche Diana mit hochaufsewim-
denem Haarknoten. Auf dem Arbeitstisch fordert
eine antike weiße Marmorgruppe den Scharfsinn des
Forschers heraus. Es ist eine kleine, mehrfach re-
staurirte, aus vier Gestalten bestehende Gruppe: in
der Mitte ein Jüngling mit dem Löwenfell, umgeben
von Jünglingen und Mädchen in lebhaft erregter
Haltung. Die Situation wird verschieden gedeutet-
Das Werk soll Theseus vorstellen, welcher den Mino-
taurus gefällt hat und nun den Dank der geretteten
athenischen Jungfrauen .und Jünglinge, welche als
Opfertribut dem Ungetüm verfallen waren, empfängt.
Diese Erklärung ist zweifellos unrichtig, denn die
Hauptfigur in ihrem Löwenfell deutet nicht auf
Theseus, sondern auf Herkules hin; so haben denn
auch andere Forscher die Gruppe als Herkules und
Auge bezeichnet. Die Frage ist noch nicht gelöst.

Von großem Interesse ist ferner in dem herzog-
lichen Schlafzimmer eine fast einen halben Meter
hohe antike, weiße Marmorstatuette, einen halb zu-
sammenknickenden, schwer betrunkenen Herkules
vorstellend, derb realistisch und mit Humor aufge-
fasst. Der Kardinal Albani, Winckelmanns bekannter

Gönner, welcher mit Herzog Franz bei dessen römi-
schem Aufenthalte viel verkehrte, hatte demselben
bei seinem Weggang ein Abschiedsmahl gegeben
und ihm bei dieser Gelegenheit die Statuette zum
Geschenk gemacht. Auch befindet sich in demselben
Räume eine kostbare Terrakottavase, welche Herzog
Franz in Rom käuflich erwarb und die Winckelmann
in seiner Geschichte der Kunst als eine ganz be-
sondere Seltenheit hervorhebt, mit den Worten:

„Eine weibliche, bekleidete Figur, welche vor
einem geflügelten Genius steht, hält vor sich einen
runden Spiegel an einem runden Stiele und in
demselben zeigt sich das Profil des Gesichts der-
selben, aber nicht mit Farbe gezeichnet, sondern
mit einer glänzenden Glasur oder Glätte, die blei-
farbig erscheint. Da die Malerei dieses Gefäßes
ganz und gar mit Tartar bedeckt war und sich
kaum entdeckte, da es zum Kauf angetragen wurde,
so findet kein Verdacht einer Künstelei statt."
Eine Marciana, Trajans Schwester, in halber
Lebensgröße, eine Nymphe mit der Muschel, eine
1,30 m hohe Venus mit einer neben ihr stehenden
Vase, auf welcher ihre Gewänder liegen, sind noch
weiter hervorzuhebende Antiken.

Nicht minder fesselt eine beträchtliche Anzahl
von guten Kopien von Antiken, welche der Bild-
hauer Cavaceppi, Winckelmanns Freund, angefertigt
hat. Beide waren 1767 gemeinsam von Rom nach
Deutschland gereist. Winckelmann,welchervon seinem
begeisterten Verehrer, dem Herzog Franz, das not-
wendige Reisegeld erhalten hatte, war dann be-
kanntlich in einem Anfall unerklärlicher Schwermut
trotz aller Gegenvorstellungen von Wien aus zurück-
gekehrt und in Triest von seinem Verhängnisse er-
eilt worden. Cavaceppi reiste nun allein nach Wör-
litz und gab sich einer eifrigen Kunstthätigkeit hin,
deren Ergebnisse durch das bekundete hervorragende
technische Geschick vollauf befriedigen.

An Gemälden sind hervorzuheben: ein trefflicher
Seesturm von J. Verriet, mehrere italienische Veduten
von PI/. Hackert, und eine ausnehmend schöne Venus
von Domenico Zampieri, welche als eines seiner voll-
endetsten und durchgeführtesten Tafelbilder gilt und
dessen Porträtähnlichkeit mit der Diana in dem
großen Nymphenbild in der Galerie Borghese in Rom
bemerkenswert ist, Cornelius Poelenburg, P. Snyers,
Wouvermann, Rwjsdael, J. Verkolje sind in guten
Stücken vertreten, Canaletto, Zuccarelli, die martia-
lische Gestalt des „alten Dessauers" von Antoine
Pesne, in dem knappen Uniformrock und weißen
Gamaschen.
 
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