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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Das neue Projekt für den Berliner Dom
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Erinnerungen an und von Karl Oesterley, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0160

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Erinnerungen an und von Karl Oesterley.

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zu Kuppeltürmen ausgebildet, die wohl die Glocken auf-
nehmen sollen. Diese Grundrissbeschreibung lässt erkennen,
dass nach Zahl und Art nahezu die gleichen Räume unter-
gebracht sind wie im früheren Plane, und es entsteht die
Frage, worin denn die Einschränkung liegt, die eine Herab-
setzung der Bausumme von 20 und mehr Millionen Mark
auf 10 Millionen Mark ermöglicht hat. Diese Einschrän-
kung ist nach drei Richtungen hin erfolgt. Zunächst hat
das Bauwerk einen anderen Maßstab erhalten, seine Abmes-
sungen sind verkleinert worden. Die Gesamtlänge des Ge-
bäudes , die im früheren Entwürfe etwa 137 Meter betrug,
ist auf 106 Meter verringert worden. Die Tiefe ist zwar im
ganzen dieselbe geblieben, aber nur insofern, als die früher
in den spreeseitigen, rechteckigen Baukörper eingeschlossene
Chornische jetzt frei hinausgebaut ist, während jener recht-
eckige Baukörper also um den Apsidenhalbmesser zurückge-
zogen wurde. Der innere Kuppeldurchmesser ist um etwa
drei Meter, die Breite des quadratischen Kuppelunterbaues
dementsprechend, verkleinert worden. Einschränkungen ihrer
Grundflächen haben auch Gruft und Traukirche sowie die
sämtlichen Nebenräume erfahren. Nur die dekorative Vor-
halle am Lustgarten ist nahezu in ihrer ganzen Ausdehnung
beibehalten worden. Ihre Länge ist zwar infolge der Zu-
sammendrückung der dahinter liegenden Bauteile verkürzt,
ihre Breite und Höhe aber sind beibehalten worden. Jene
ist 20 Meter geblieben, und die Höhenlage des Kirchenhaupt-
gesimses über dem Erdboden kommt mit etwa 30 Meter
nach wie vor der Höhe des Königlichen Schlosses gleich,
während die Höhe der Kuppel, ihrer Durchmesserverkleine-
rung entsprechend etwas herabgemindert worden ist. Ist
schon durch diese Verkleinerung der Abmessungen eine Zu-
sammenschrumpfung des Bauwerkes eingetreten, so ist sie
weiter bewirkt durch Fortlassung einzelner Bauteile. Drit-
tens sind am Reichtum der Fassadengestaltung Ersparungen
erzielt. Einmal durch Beschränkung des ornamentalen und
namentlich figürlichen Schmuckes, dann auch durch Verein-
fachung der architektonischen Gliederung. Eine wesent-
liche Rolle aber im ganzen Baugedanken spielen alle diese
Abänderungen nicht."

Diese thatsächlichen Angaben üben eine so deut-
liche Kritik, dass es kaum noch weiterer Zusätze
bedarf. Sie sind auch gegenstandslos, bevor nicht
völlige Klarheit über die Stimmung in den Kreisen
der Abgeordneten gewonnen worden ist. Die
Kölnische Zeitung behauptet freilich, dass sich diese
Stimmung gegen das vorige Jahr bedeutend ver-
schlechtert hat, und betont zur Stütze ihrer Behaup-
tung die rechtliche und finanzielle Seite der An-
gelegenheit, die sie in folgenden Punkten klarstellt:

„Eine rechtliche Verpflichtung des Fiskus und der Lan-
desvertretung zum Neubau des Domes liegt unzweifelhaft
nicht vor, und ein nicht unerheblicher Teil der Landesver-
tretung hat den Standpunkt eingenommen, dass er bei un-
serer Finanzlage, bei der Zurückstellung vieler dringend nö-
tigen Ausgaben für Kulturaufgaben, Kunst und Wissenschaft,
Besserung der Beamtengehälter u. s. w. es vor dem Lande
nicht verantworten könne, für einen nicht durchaus notwen-
digen Bau zehn Millionen Mark zu bewilligen. Dazu kommt
das Bedenken, dass der größere Entwurf zum Dombau un-
gefähr 25 Millionen Mark kosten sollte, dass er nur um ein
Zehntel in seinen Größenverhältnissen verringert werden
und dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass die Verringe-

rung die Kosten um 15 Millionen Mark herunterdrücken
sollte. Es steht also zu befürchten, dass die Summe von
10 Millionen Mark nicht ausreicht und dass später Nachfor-
derungen an den Landtag kommen werden. In einem Teile
des Abgeordnetenhauses macht man aber auch kein Hehl
daraus, dass man nicht geneigt ist, für einen persönlichen
Wunsch des Kaisers das Land mit 10 Millionen Mark zu
belasten, und stellt die Ansicht auf, dass, wenn der Kaiser
eine Fürstengruft für seine Familie und eine Kirche für
seinen Hofstaat wünsche, es auch Sache des Kaisers und
nicht des Landes sei, für die nötigen Mittel zu sorgen."

Es scheint, dass dieser Stimmungsbericht der
Sachlage entspricht, da die Budgetkommission des
Abgeordnetenhauses in ihrer Sitzung vom 2. März
die zur Beratung gestellten, auf den Dombau bezüg-
lichen Artikel vorläufig ausgesetzt hat. Wir werden
in einer der nächsten Nummern den Grundriss und
die Hauptfassade des Projekts wiedergeben.

Nachschrift. In ihrer Sitzung vom 10. März be-
willigte die Budgetkommission des preußischen Ab-
geordnetenhauses die Summe von 300000 M. als
erste Rate für den Dombau, nachdem der Kultus-
minister im Namen der Regierung erklärt hatte,
dass die vom Landtage geforderten zehn Millionen
als Beihilfe zu den Kosten angesehen und weitere
Forderungen an den Landtag nicht gestellt werden
sollen.

ERINNERUNGEN AN UND VON
KARL OESTERLEY.

Oesterley war am 22. Juni 1805 als Sohn des
Universitätsrats Dr. Oesterley in Göttingen geboren.
Die Erinnerungen des Künstlers reichen zurück bis
in die große Zeit der deutschen Befreiungskriege.
Deutlich hat sich dem Gedächtnis des etwa dreijäh-
rigen Kindes eingeprägt, wie die Kosaken auf dem
Kasernenplatz in Göttingen gelagert. Ein betrun-
kener Kosak hat eines Tages das Kindlein vor sich
aufs Pferd gehoben und ist mit demselben im rasen-
den Galopp Wall auf und Wall ab gejagt. Das
Kind hat sich in seiner Todesangst an dem langen
Bart des Reiters festgehalten. Als es endlich
einigen Einwohnern gelungen, das ganz mit Schaum
bedeckte Pferd zum Stehen zu bringen, hat der
Kosak auf dem Marktplatz die Knute bekommen.
Auch der Durchmarsch des Königs von Schweden
mit seinem Heere (30000 Mann) ist dem Kinde deut-
lich in der Erinnerung geblieben. Bernadotte ritt
mit seinem Generalstabe als Kronprinz von Schwe-
den durch das Geismarthor. Aus der Gymnasiasten-
zeit erinnert sich Oesterley noch, wie er eines Tages
ein fatales Rencontre mit dem Mathematiklehrer
 
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