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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Erinnerungen an und von Karl Oesterley, [2]
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325

Erinnerungen an und von Karl Oesterley.

326

Mit dein Hause, welches sich Oesterley in Han-
nover an der Langenlaube erbaut und welches im
Volksmunde das „Haus der Väter" genannt wurde,
hatte es folgende Bewandtnis: In den ersten Jahren
der Anwesenheit Oesterleys in Hannover traf er
zufällig Arbeiter auf der Schmiedestraße beschäf-
tigt, ein Trottoir zu legen. Sie benutzten dazu
alte Sandsteine, welche an der einen Seite mit recht
interessanten Basreliefs versehen waren; auch Kary-
atiden waren dazwischen. Auf weiteres Nachfor-
schen gelang es ihm, die Stücke zu erstehen. Zu-
nächst wurden sie nun sorgfältig in den kleinen
Garten Oesterleys gestellt und für spätere Zwecke
aufbewahrt. Als dann 1851 der Plan gefasst wurde,
das Residenzschloss an der Leinstraße, dessen süd-
licher Flügel fehlt, zu vollenden, mussten die alten
Häuser an jener Stelle beseitigt werden. Oesterley
kaufte das eine davon zum Preise von 300 Thlr. Gold
von der Krone auf Abbruch. Dies Haus wurde
dann unter Berücksichtigung moderner Wohnzwecke
von Oberbaurat Mithoff in feinster sinnigster Art
an der Langenlaube wieder aufgebaut. Merkwür-
digerweise stimmten die, wie vorhin bemerkt, früher
schon aufgefundenen und erworbenen Ornamente auf
Sandstein so sehr mit diesem Hause überein, dass
anzunehmen ist, sie seien von derselben Meisterhand
geschaffen. Nach den aufgefundenen Jahreszahlen
ist das Haus ursprünglich 1621—1622 erbaut. Eigen-
tümlicherweise fiel die Zeit der Renovation des In-
nern der Marktkirche in eben jene Zeit. Sämtliche
reichen Renaissanceornamente wurden als Brennholz
verkauft. Oesterley erstand das meiste davon und
Oberbaurat Mithoff verwandte diese prächtigen Orna-
mente zur Dekoration des Innern des Hauses. Eine
sehr nennenswerte Anzahl, zum Teil vorzüglicher
älterer und neuerer Bilder gaben dem Atelier und
den Wohnräumen Oesterleys einen ehrwürdigen Ein-
druck. Das geringe Interesse für die Kunst in jener
Zeit erleichterte die Anschaffung jener Werke.

Mit großem Interesse folgte Oesterley bis in
sein hohes Alter den Bestrebungen der Kunstgenos-
senschaft, des Kunstvereins und des Gewerbevereins,
ersterer als Vorstandsmitglied angehörend, im letz-
teren den Unterricht, namentlich im sog. Aktzeich-
nen erteilend. Im Jahre 1886 malte der Meister
sein letztes Bild, den heiligen Christopherus.

Folgende Bilder hat Oesterley gemalt:

I. Altargemälde: „Lasset die Kindlein zu mir
kommen" im Waisenhaus zu Göttingen. „Petri Fisch-
zug", in der Petrikirche zu Hamburg 1842 mit ver-
brannt. „ Himmelfahrt Christi", Schlosskirche zu Han-

nover al fresco 1837. „Kommt her zu mir etc."
Kirche zu Rossdorf bei Göttingen 1852. „Aufer-
stehung Christi", Kirche in Holstein, 1867. Das-
selbe, Groß-Lobcke bei Hildesheim. „Das heilige
Abendmahl", Kirche zu Walsrode. „Madonna" für
eine russische Kirche. „Kommt her zu mir", Kirche
zu Barsinghausen, desgleichen, Stemmen bei Groß-
goltern. Figurenreiches Bild, Geschenk des Königs
Georg V. für die Kirche zu Iburg. „Auferstehung",
Geschenk des Rittergutsbesitzers Fiedler für die
Kirche in Döhren. „Crucifixus", Klosterkirche zu
Loccum al fresco. „Johannes und Maria unter dem
Kreuze des Heilandes", Kirche zu Mariensee.

II. Historische Bilder: „Die Tochter Jephtas",
Cumberland-Galerie. „Deborah" ? „Jakob mit dem
Engel ringend", C. Oesterley jr. „Ruth"? „Ahas-
verus verstößt Christus von seiner Thür" (das be-
deutendste Werk Oesterleys), Brüssel, König der
Belgier. „Die heilige Nacht", Cumberland-Galerie.
„Christus heilt einen Blinden"? „Aaron und Hur
den betenden Moses unterstützend" ?

III. Genrebilder: Leonore (nach Bürger). „Sie
ging den Zug wohl auf und ab", Cumberland-
Galerie. „Die beiden Bräute", Cumberland-Galerie.

IV. Porträts: Viele Porträts für fremde Höfe,
Kasernen, öffentliche Gebäude etc., des Königs Ernst
August, desgleichen des Königs Georg V., besonders
dasjenige im Hosenbandornat, als Geschenk der Kö-
nigin Victoria» von England. Großes figurenreiches
Familienbild des Grafen Bernstorf auf Gartow. Lebens-
große ganze Figur des Grafen Münster, Derneburg
mit Hirsch. Porträt des Grafen Oberjägermeister
Hardenberg, desgleichen des Grafen Brockdorf und
der zwei Komtessen Brockdorf, des Generals Hart-
mann, des Generals v. Dachenhausen, des Generals
v. Halkett u. v. a. m.

Sieht man auf den Lebensweg dieses Altmeisters
zurück, so findet man, im Vergleich mit der Gegen-
wart, einen mächtigen Aufschwung in der Kunst.
Die peinliche Pedanterie der früheren Zeiten hat
einem frischen, freien und fröhlichen Leben Platz
gemacht. Wenn Oesterley auch diesen höheren Flug
der jüngeren Generation nicht mitmachen konnte,
so brachte er demselben doch das größte Interesse
entgegen. Was wir aber auch in der Kunst für
Fortschritte gegen jene Zeiten gemacht, wir wollen
nicht vergessen, dass die Alten in ihrer Tüchtigkeit
für die jetzige Generation die Wege geebnet und
das vorbereitet haben, was sich jetzt zur schönsten
Blüte entwickelt, und darum wollen wir ihnen un-
sere Achtung und unseren Dank zollen und nicht
 
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